© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/97  05. September 1997

 
 
Voyeurismus
Kolumne von Heinrich Lummer

Reden wir nicht von der Mitschuld der Opfer. Fast alle, die im öffentlichen Leben stehen, haben die Veröffentlichungen genossen. Wer sieht sich nicht gern auf den Titelseiten und in den Kolumnen? Auch die Prinzessin Diana war davon nicht frei. Zuweilen mag sie die Geister gesucht haben, die sie nicht mehr los wurde, die ihr zur Last, zur Qual und schließlich zum Verhängnis wurden.

Aber damit kann sich keiner von denen entschuldigen, die sie schließlich verfolgten und jagten bis zum bitteren Ende. Auf der Anklagebank sitzen Journalisten, die den Vorzug haben, daß keiner sie verurteilt. Einmal sind da die Jäger, die alles tun, um in die Intimsphäre interessanter Persönlichkeiten einzudringen. Jeder Schritt wird verfolgt. Ob Juhnke besoffen auf seinem Grundstück, Barschel tot in der Wanne oder Diana beim ersten Kuß mit Dodi. Paparazzi nennt man sie verharmlosend. Aber es sind Verbrecher, die alles das ungestraft tun, was unser Staat sich nicht erlauben kann, um Verbrecher zu fangen. Man denke an Datenschutz und Lauschangriffe. Es wäre schon was, wenn es in Frankreich zu einer genauen Aufklärung und gegebenfalls zu einer Verurteilung dieser Jäger käme. Verdient hätten sie es. Wer sie aber kennt, diese Jäger, weiß, daß es bei ihnen nicht um hehre Ideale des Journalismus geht, wie etwa das, den Informationsanspruch der Öffentlichkeit zu befriedigen oder die Wahrheit zu dokumentieren. Nein, es geht schlicht und einfach um Geld, viel Geld. Ein Bild im richtigen Moment kann Hunderttausende, ja Millionen bringen. Sie jagen, weil die Beute gut zu verkaufen ist. Gäbe es keinen Markt dafür, gäbe es keine Paparazzi.

Damit sind wir bei jenen ehrenwerten Journalisten, die sich die Finger nicht schmutzig machen. Sie bekommen die Fotos angeboten, und sie kaufen. Und auch sie denken an Geld, weil sie erhöhte Auflagen wünschen. Einige, die Bilder kauften oder bestellten, genieren sich nicht, über ihre Lieferanten zu lamentieren. Die Heuchelei ist groß in diesen Tagen, in dieser ehrenwerten Gesellschaft. Napoleon sagte: "Ich liebe den Verrat, doch ich hasse den Verräter." Diese lieben und kaufen die Fotos und verdammen die Fotografen. Wenn es für Fotos keine Käufer gäbe, gäbe es keine Paparazzi und keine tote Prinzessin. Und auch wir Leser könnten unseren Teil beitragen. Denn auch wir möchten oft genug durch Schlüssellöcher sehen und kaufen eben die Blätter, die es ermöglichen.

Man kann nur hoffen, daß der Tod einer Prinzessin Betroffenheit bewirkt, die geeignet ist, das eine oder andere Tabu wiederzubeleben.


 
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