© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/97  29. August 1997

 
 
80 Jahre Ufa: Den Anstoß zur Gründung gab General Ludendorff
Traumfabrik Babelsberg

von Rüdiger Ruhnau

Die Kino-Branche ist wieder im Kommen. Das Filmtheater der Zukunft sieht man im Multiplex, einem Megakino mit zwölf Leinwänden unter einem Dach, komfortablen Sesseln mit breiten Armlehnen und Beinfreiheit für vier- bis fünftausend Besucher. Multiplex – das heißt Kino mit Gastronomie und kulturellen Veranstaltungen, ein Freizeiterlebnis nicht nur für die Filmliebhaber. Die neue Ufa-Theater AG hat solche Großkinos in Berlin, Hamburg, Stuttgart, Erfurt eröffnet, weitere sind geplant.

Begonnen hat es vor 80 Jahren. Treibende Kraft war General Ludendorff, er wollte den Film als Mittel gegen die geschickte Feindpropaganda einsetzen. Sein Schreiben an das Kriegsministerium vom 4. Juli 1917 gilt als wichtiges Dokument für die Gründung der Universum AG (Ufa), in der unter seiner Schirmherrschaft drei Filmunternehmen zusammengeschlossen wurden: die Nordisk Film Company, der Messter-Konzern und die Projektions AG. Am Aktienkapital von 25 Millionen Mark beteiligte sich die Reichskasse unter Führung der Deutschen Bank mit sieben Millionen, andere Aktionäre waren Reedereien, Banken, Industriekonzerne. Es entstand ein Medienkonzern mit Produktionsstätten, Verleihorganisationen, Filmtheatern und bekannten Darstellern.

Nach dem Ersten Weltkrieg ist sie bedeutend weiterentwickelt worden: Alles, was Rang und Namen im deutschen Film besaß, arbeitete in Babelsberg: Emil Jannings, Harry Liedtke, Henny Porten und viele andere. In den zwanziger Jahren hinterließ der Expressionismus auch im Film seine Spuren, zum Beispiel in Murnaus "Der letzte Mann" mit Jannings in der tragischen Figur des Hotelportiers. Friedrich Wilhelm Murnau gehörte zu den begabtesten Regisseuren der Stummfilmzeit, er verfilmte auch "Tartuffe" und "Faust".

Den Weltmarkt beherrschte freilich Hollywood. Von dort kamen auch die ersten Monumentalfilme, in denen mit einem Riesenaufwand an Komparsen die Filmarchitektur Triumphe feierte. Als die Ufa sich ebenfalls solchen großartigen Prachtentfaltungen zuwandte, führte Fritz Langs "Metropolis" zum finanziellen Fiasko. Die Deutsche Bank war nicht mehr bereit, die ungeheuren Produktionskosten von 5,3 Millionen Mark mitzutragen. Hollywoods Filmgewaltige standen auf dem Sprung, die störende deutsche Konkurrenz aufzukaufen, wenn da nicht der Medienzar Alfred Hugenberg gewesen wäre. Der kaufte 1927 für 13,5 Millionen Mark die Aktienmehrheit der Ufa und setzte seinen Adlatus Ludwig Klitzsch als Generaldirektor ein. Mit Klitzsch erhielt die Gesellschaft einen hochbefähigten Manager, der den US-Filmemachern Paroli bot.

1929 begann die Ära des Tonfilms. Drei Deutsche hatten das Lichttonverfahren entwickelt, bei dem Schallschwingungen in Lichtschwankungen umgewandelt und auf die lichtempfindliche Schichten des Zelluloidfilms fixiert werden. Der erste Tonfilm der Ufa, "Melodie des Herzens" mit Willy Fritsch, feierte stürmische Erfolge. Emil Jannings, der den allerersten "Oscar" als bester Schauspieler gewonnen hatte, spielte 1930 mit der damals ganz unbekannten Marlene Dietrich in "Der blaue Engel". Anfang der dreißiger Jahre setzten sich, neben den Fritsch/Harvey-Filmen und Heimatstreifen, zunehmend künstlerische Filme durch. Gustav Ucicky brachte den "York"-Film mit Werner Krauß heraus, Leni Riefenstahls Berglegende "Das blaue Licht" erschien, Luis Trenker drehte den "Rebell" und Otto Gebühr übernahm die ihm auf den Leib zugeschnittene Rolle des Alten Fritz’ in "Das Flötenkonzert von Sanssouci".

1936 stellten 80 deutsche Filmproduzenten etwa 160 Spielfilme her, rund 300 Millionen Zuschauer gingen in 5271 Kinos. Im gleichen Jahr erfolgte die Uraufführung des Ufa-Films "Heimat" mit Zarah Leander. Unvergessen auch Herbert Maischs "Andreas Schlüter" mit Heinrich George und "Friedrich Schiller" mit einem hervorragenden Horst Caspar in der Titelrolle. Die leichte Muse fand in Willy Forst und Georg Jacoby großartige Inszenierer.

Mittlerweile hatte das Reich von Alfred Hugenberg die Aktienmehrheit an der Ufa für 21 Millionen Mark übernommen, während die Deutsche Bank für ihren Anteil acht Millionen Mark erhielt. Auch die Filmgesellschaften Tobis, Bavaria, Wien-Film kaufte der Staat auf, so daß 1942 die Konzentration der deutschen Filmgesellschaften mit ihren mehr als 10.000 Beschäftigten abgeschlossen war. Die Besucherzahl überstieg die Milliardengrenze. Spitzenfilme wie "Die große Liebe" mit Zarah Leander oder "Wunschkonzert" mit Ilse Werner und Carl Raddatz erlebten über 26 Millionen Zuschauer.

Als wichtigste Neuerung entwickelte die Ufa gemeinsam mit der Chemie-Industrie das Dreifarbensystem "Agfa-Color". Am 31. Oktober 1941 fand im Berliner "Ufa-Palast am Zoo" die Uraufführung des farbigen Tanz- und Musikfilms "Frauen sind doch die besseren Diplomaten" statt; Marika Rökk spielte die Hauptrolle. Mit Veit Harlans "Die goldene Stadt" (mit Kristina Söderbaum) und Hans Albers in "Münchhausen" spielten sich die ersten Farbfilme in die Herzen des Publikums. Noch am 30. Januar 1945 – die Russen standen schon an der Oder – hatte "Kolberg" mit Heinrich George Premiere.

Nach Kriegsende fiel der wertvollste Teil des reichseigenen Filmvermögens den Russen in die Hände, darunter das kostbare Reichsfilmarchiv, auf dessen Rückgabe Deutschland heute noch wartet. In der sowjetischen Besatzungszone entstand in den Filmstudios Babelsberg die DEFA, die in vier Jahrzehnten über 800 Filme drehte. Obwohl die Westalliierten zunächst entschlossen waren, den Ufa-Konzern als unliebsame Konkurrenz verschwinden zu lassen, gelang es den deutschen Treuhändern doch, Teile der Erbmasse zu bewahren. Über die Deutsche Bank landeten Anteile schließlich bei Bertelsmann. Der Bertelsmann-Konzern veräußerte die Rechte an 3.000 alten Ufa-Filmen an den gebürtigen Ostpreußen Heinz Riech, der auch die Aktien der neugegründeten Ufa-Theater AG erwarb. Heute betreibt die neue Ufa in mehr als 80 Städten 500 Kinos.

Die Kinowelt ist im Wandel, immer mehr Geld wird nicht mit dem Film selbst, sondern mit Gastronomie, CDs und sonstigen Filmartikeln verdient. Ansätze, der deutschen Filmkunst wieder zu neuem Ansehen zu verhelfen, gibt es. In Potsdam-Babelsberg sollen die Studios zu einem europäischen Filmzentrum entwickelt werden. Wenn dann zur Jahrtausendwende die "Medienstadt Babelsberg" samt einer Filmhochschule realisiert wird, ist vielleicht auch mit der Produktion sehenswerterer Filme zu rechnen.


 
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