© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/97  29. August 1997

 
 
Front National: Le Pen trifft sich mit Erbakan
Auslandsprofilierung

von Martin Schmidt

So manche Medienkonsumenten werden die Nachricht mit Überraschung aufgenommen haben: Auch die "notorischen Ausländerfeinde" der französischen Rechtspartei Front National betreiben Außenpolitik – und das sogar mit vermeintlich verteufelten Moslems.

Auf die Kontakte Jean-Marie Le Pens zum irakischen Diktatur Saddam Hussein hatte man sich ja noch einen Reim machen können, da letzterer zusammen mit dem Libyer Gaddafi der meistgehaßte Paria der Weltpolitik ist. Doch daß der FN-Chef nun am
18. August im westtürkischen Badeort Altinoluk ausgerechnet mit dem ehemaligen islamistischen türkischen Ministerpräsidenten und jetzigen Oppositionsführer Necmettin Erbakan zusammentraf, um über eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen, paßt für viele so gar nicht ins Weltbild.

Das Treffen war auf Wunsch Le Pens zustande gekommen. Erbakan sagte dazu: "Ich hoffe, daß dieses Gespräch bei den internationalen Beziehungen der Türkei hilfreich sein wird." Meldungen der Zeitung Sabah zufolge, will der FN die Refah in ihrem Widerstand gegen ein drohendes Parteiverbot unterstützen.

Das Bemühen des Front National, sich durch eine eigene Außenpolitik zusätzlich Profil zu verschaffen und auch auf diesem Feld eine nicht mehr undenkbare Regierungsbeteiligung vorzubereiten, ist offensichtlich. FN-Politiker Serge Martinez bringt dabei seine hervorragenden Kontakte zum marokkanischen Königshaus ein, als dessen Finanzberater er früher fungierte. Neben der traditionell für die gesamte französische Außenpolitik besonders wichtigen "arabischen Schiene" setzt man aber auch auf Kontakte nach Ostmitteleuropa, Rußland und Südamerika. Der Wortführer der streng katholischen Fraktion, Bernard Anthony, hat sich u. a. der Pflege der Verbindungen zur Arena-Partei in Honduras, zu den Anti-sandinisten in Nicaragua sowie zu bürgerlich-nationalen Kreisen in Kroatien und Litauen verschrieben.

Waren vor dem 1989er Umbruch im Osten antikommunistische Motive für die ersten Gehversuche auf dem internationalen Parkett maßgeblich, so sind die heutigen Kontakte schwerlich auf einen Nenner zu bringen. Zwar wurde erst kürzlich eine geplante Zusammenkunft Le Pens mit dem israelischen "Falken" Ariel Scharon von letzterem abgesagt, doch der wachsende internationale Prestigegewinn für den Front National ist inzwischen nicht mehr zu übersehen.


 
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