© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/97  29. August 1997

 
 
Demokratie: Chaoten und Tugendwächter bedrohen ein Grundrecht
Pressefreiheit in Gefahr

von Thorsten Thaler

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt." So steht es im Grundgesetz, Artikel 5, und es gibt Anlaß, daran zu erinnern.

Hausdurchsuchungen in Verlagen und Beschlagnahme von Büchern, Indizierungen von Druckschriften sowie Bild- und Tonträgern aller Art durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, Angriffe von gewaltbereiten Chaoten auf Kioske und Vertriebsfahrzeuge, Verfassungsschützer, die im Auftrag des nordrhein-westfälischen SPD-Innenministers Kniola die junge freiheit lesen – noch nie war im "freiesten Staat der deutschen Geschichte" die Presse- und Meinungsfreiheit so akut gefährdet wie heute.

Das Bedrohliche an der Situation ist, daß konservative, rechte Zeitungen, Zeitschriften und Verlage gleich von zwei Seiten im Würgegriff gehalten werden. Auf der einen haben sie es mit staatlich verordneten Eingriffen zu tun ("Wenn die Verfassungsschützer zweimal klingeln"), während ihnen auf der anderen Seite kriminelle Gewalttäter an die sprichwörtliche Wäsche wollen.

Viele Hunde sind des Hasen Tod, weiß der Volksmund. Die Aushöhlung eines grundgesetzlich verbrieften Rechts ist weit mehr als ein Kavaliersdelikt. Mit der zunehmenden Knebelung der Meinungs- und Pressefreiheit droht die Demokratie insgesamt vor die Hunde zu gehen. Die Formen der Zensur mögen sich mit den Zeiten verfeinert haben. An ihren fatalen Auswirkungen kann indes kein Zweifel bestehen. "Wenn man sich unter Zensur nicht einen fleißigen Beamten vorstellt, der mit einem Rotstift dicke Bände durchgeht, sondern die Technik, mit der eine Seite verhindert, daß die andere zu Wort kommt, dann erreicht die Zensur in den modernen Demokratie ihren Höhepunkt." (Thomas Molnar)

Doch es ist nicht nur die "Autonome Antifa", die die Pressefreiheit gefährdet. Paul Sethe, von 1949 bis zu seinem Rücktritt 1955 Ressortleiter Politik und Mitherausgeber der FAZ, definierte Pressefreiheit als die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Wenn man eine Zeitung liest, sollte man immer auch wissen, wer nach dem Impressum als Eigentümer ausgewiesen ist. Die Konzentration im Verlagswesen sorgt auch für eine Uniformierung in der Presselandschaft. Einige wenige Großverlage beherrschen in Deutschland über 95 Prozent des Umsatzes im Zeitschriftenhandel. Wer sich mit ihnen gut stellt, kommt in der Regel auch gut weg. Kleine unabhängige Zeitungen haben es deshalb noch schwerer, sich zu behaupten.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen