© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/97  21. August 1997

 
 
CDU: Zwei Parteimitglieder sollen "rechtsradikale" Thesen verbreitet haben
Bürgerliche Empörung

von Thorsten Thaler

Wenn sich öffentliche Aufmerksamkeit im Medienzeitalter daran bemißt, seinen Namen dutzendfach in der Presse zu lesen, dann haben Georg Klaffus und Ortwig Kuhn einen gewissen Grad an Bekanntheit erreicht. Seitdem die beiden Berliner CDU-Mitglieder Mitte Mai ein Thesenpapier zur "Verschwendungssucht der Politiker" verfaßten, werden ihre Namen durch die Medien gezerrt.

In dem bundesweit an die Vorstandsmitglieder aller CDU-Kreisverbände unter dem Briefkopf einer "Bürgerinitiative besorgter Bürger" verschickten Papier prangern Kuhn und Klaffus das Funktionieren parlamentarischer Instanzen an, "wenn es darum geht, uns Bürgern in die Tasche zu greifen". Mittlerweile seien aber die finanziellen Möglichkeiten erschöpft; inzwischen hätten alle "unter der Renommiersucht und teilweise Inkompetenz dieser vermeintlichen Volksvertreter zu leiden".

Die Autoren beklagen, daß zur Finanzierung des EU-Haushalts Deutschland knapp 30 Milliarden Mark netto beiträgt, während Frankreich und Großbritannien zusammen nur etwa ein Fünftel dieser Summe zahlen. Dabei sei es den Franzosen und Engländern "nicht zu verübeln", wenn sie die Interessen ihrer Bürger wahrnehmen. Vielmehr müsse es nachdenklich stimmen, so Kuhn und Klaffus, daß Deutschland nicht über "derartig engagierte und interessenbewußte Politiker" verfüge.

 

Breiten Raum nimmt in dem Thesenpapier die Ausländerpolitik ein. Zwar müsse man Verständnis haben, wenn Ausländer ihre Chance wahrnehmen, hier ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern, schreiben die CDU-Mitglieder. Andererseits sei es fraglich, ob die Bundesrepublik Deutschland "in der Lage ist, die Armen der ganzen Welt zu beherbergen und zu versorgen". Bei einer Arbeitslosigkeit von beinahe fünf Millionen müßten verantwortungsbewußte Politiker über eine Rückführung der Nicht-EU-Arbeitskräfte nachdenken.

Unberechtigt sich in Deutschland aufhaltende Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge verursachten jährliche Kosten von mindestens 60 Milliarden Mark, so Kuhn und Klaffus. Für die beiden ist es offenkundig, daß Deutschland bei der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien "überproportional belastet" worden sei. Die Politiker hätten es nicht geschafft, für eine gerechte Verteilung im gesamteuropäischen Raum zu sorgen. Jetzt wollten sie für die Rückkehrer Häuser bauen bzw. die Bürgerkriegsflüchtlinge erst zurückführen, wenn Häuser gebaut worden sind. "Wer hat nach dem Krieg unseren Eltern bzw. Großeltern beim Wiederaufbau geholfen?", fragen die Thesenverfasser in ihrem sechsseitigen Papier.

Stein des Anstoßes für die heftige Kritik an Kuhn und Klaffus sind aber vor allem deren Ausführungen zur "großzügigen Finanzierung Israels" und den Versorgungskosten für die Kontingentflüchtlinge jüdischen Glaubens aus der ehemaligen Sowjetunion. Es sei unverständlich, warum dieser Personenkreis nur aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit ein Anrecht auf ungehinderten Zuzug nach Deutschland habe. "Es ist endlich an der Zeit, den pathologischen Philosemitismus unserer Politiker beim Namen zu nennen und darauf hinzuwirken, daß das Zusammenleben von Juden und Deutschen wieder in normale, gleichberechtigte Bahnen kommt", heißt es bei Kuhn und Klaffus.

 

In der Bevölkerung mache sich inzwischen große Skepsis breit, so die beiden CDU-Mitglieder, weil "die deutsch-jüdischen Beziehungen primär von finanziellen Momenten geprägt sind". Statt weitere "rückwärtsorientierte Mahn- und Denkmale" zu errichten, sollten die finanziellen Mittel für Kinder- und Jugendprojekte aufgewendet werden, um durch Bildung und Ausbildung "das nötige Verständnis füreinander und für eine historische Verantwortung zu vermitteln".

Wer die Sorgen der Büger ignoriere und warnende Stimmen in die extremistische Ecke zu stellen versuche, müsse "die Konsequenzen tragen", warnen die beiden Verfasser zum Schluß ihrer Thesen. "In keinem Land der Welt können die Politiker auf Dauer gegen die Interessen und finanzielle Leistungsfähigkeit der eigenen Bürger handeln."

 

Soviel Abweichung von der Meinungsnorm wollten die Partei-Oberen nicht ungestraft lassen. CDU-Generalsekretär Hintze stufte in einem Rundschreiben an alle Kreisvorsitzenden die Thesen als "fragwürdig und zum Teil rechtsradikal" ein. Für den Fall, daß die Bürgerinitiative "irgendwelche Aktivitäten" entwickeln sollte, bat Hintze um "umgehende Information". Den Kreisverband Berlin-Zehlendorf, dem Ortwig Kuhn angehört, forderte er "herzlich" auf zu prüfen, "ob dieses Verhalten mit der Mitgliedschaft in der CDU vereinbar ist". Eine Entscheidung über ein Ausschlußverfahren gegen Kuhn lag bis zum Redaktionsschluß nicht vor.

Einen Schritt weiter ging der Bundestagsabgeordnete Diethard Schütze, der in Berlin Kreisvorsitzender im Bezirk Reinickendorf ist. Weil die Thesen zum Rechtsradikalismus tendierten, schaltete der Jurist das Bundesamt für Verfassungsschutz ein. Dort freilich vermeldeten die Alarmierten Fehlanzeige; von einer "Bürgerinitiative besorgter Bürger" sei bislang nichts bekannt.

Die CDU-Charlottenburg, in der Georg Klaffus Mitglied ist, distanzierte sich von dem Thesenpapier und erklärte einzelne Passagen darin "für unvereinbar mit den Grundsätzen christdemokratischer Politik". Klaffus solle über sein "weiteres Verbleiben" in der CDU nachdenken.


 
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