© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/97  21. August 1997

 
 
"Heraus aus den Häusern!"
von Hans-Helmuth Knütter

chon vor Jahren ist über die damalige Alt-Bundesrepublik gesagt worden, Deutschland sei ein wirtschaftlicher Riese und ein politischer Zwerg. Diesen Gedanken möchte ich übertragen auf die Situation der hier Versammelten, Die studentischen Verbindungen – nicht nur die Burschenschaften – sind in soziologisch-organisatorischer Hinsicht ein Riese, aber geistig-politisch leider ein Zwerg. In soziologischer und organisatorischer Hinsicht haben die Burschenschaften hervorragende Voraussetzungen, Einfluß auszuüben. Verglichen mit den politischen Studentenverbänden sind die Verbindungen die stärkste aller akademischen Organisationen.

Aber leider ist die Kehrseite der Medaille weniger erfreulich. Nämlich in geistig-politischer Hinsicht haben die Verbindungen und unter ihnen die Burschenschaften einen minimalen Einfluß. Wenn man nach den Gründen forscht, so wird man zwei finden: einen selbstverschuldeten und einen, der sich aus den objektiven Schwierigkeiten der politischen Lage unserer Zeit ergibt. Was heißt "selbstverschuldet"? Es gibt eine Neigung, sich ins Private zurückzuziehen. Im Verhalten eines jeden Menschen bedingen sich äußere Ereignisse und innere Haltung wechselseitig. Das ist aber auch bei Organisationen so. Die studentischen Verbindungen neigen angesichts ungünstiger äußerer Verhältnisse – der Wind der öffentlichen, oder besser veröffentlichten Meinung weht ihnen ins Gesicht – zu oft zu einer privatistischen Rückzugsreaktion. Wer sich isoliert, verzichtet vorauseilend und voreilig auf einen Einfluß, den man bei mutigem, entschlossenem und zielbewußtem Eintreten haben könnte.

In der nahezu zweihundertjährigen Geschichte der Burschenschaften hat es mit dem Wandel der Zeiten und Verhältnisse auch innere Wandlungen gegeben. Die Vergangenheit kann auch oft eine Belastung sein. Ich meine die Probleme der Vergangenheitsbewältigung, die durch die Verstrickung in das Zeitalter des Nationalsozialismus entstanden sind. Statt dem Gegner offensiv entgegenzutreten, glaubt man allzu oft, sich auf eine schwächliche Defensive beschränken zu sollen. Der notwendigen Auseinandersetzung wird ausgewichen. Wenn man sich die Möglichkeiten vergegenwärtigt, eine einflußreiche akademische Bewegung zu werden, die aber nicht genutzt werden, dann fällt mir ein aus der Gewerkschaftsgeschichte abgewandelter Spruch ein: "Mann des Geistes, aufgewacht und erkenne deine Macht!

Was ist zu tun? Ständige Selbstvergewisserung ist nötig, indem Grundsatzfragen diskutiert werden. Eine ständige Ortsbestimmung der Gegenwart und eine Überprüfung der bisherigen Standpunkte sind unerläßlich. "Ehre, Freiheit, Vaterland" – Was bedeuten eigentlich diese zweihundert Jahre alten Leitbilder heute? Die Zeiten wandeln sich, und wir wandeln uns in ihnen. Was heißt heute eigentlich "konservativ"? Was bedeuten heute Volk und Nation?

Es ist doch klar, daß der Begriff der Nation in einer Zeit der sogenannten Globalisierung, die kein bloßes Schlagwort ist, sondern mit einem vor zweihundert Jahren noch nicht abzusehenden technischen Fortschritt zusammenhängt, heute etwas anderes bedeuten muß als im Jahre 1815, 1848, 1871, 1918, 1933, 1949 oder auch im Epochenjahr 1989. Begriffe wandeln sich inhaltlich. Sie sollen aufrecht erhalten werden, um als Wegweiser zur geistigen Orientierung dienen zu können. Aber sie müssen hinsichtlich ihrer Bindekraft und Aussagefähigkeit laufend überprüft werden. Wird das versäumt, entarten die Begriffe zur Phrase und der Konservatismus zu einem puren Quietismus. Dann werden Leitworte zu Schlagworten, unter denen sich jeder etwas anderes vorstellen kann, aber sie verlieren ihre weiterhelfende, orientierende Kraft. Eine Überprüfung der Leitbegriffe Volk und Nation wird heute sicherlich ergeben, daß sie nach wie vor eine orientierende Bedeutung haben. Allerdings kann heute nicht mehr der Staat im Mittelpunkt des nationalen und Volksbewußtseins stehen, sondern Sprache und Kultur. Das hängt mit der Überwindung enger staatlicher Grenzen zusammen. Diese Entwicklung wird durch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt erzwungen, der eine Begrenzung auf den Nationalstaat im früheren Sinne ausschließt. Dies ist nicht völlig neu. Bereits im Jahre 1813 hat Ernst Moritz Arndt in seinem berühmten Lied "Was ist des Deutschen Vaterland?" die Frage mit der Feststellung beantwortet "Soweit die deutsche Zunge klingt!" Wenn wir diese Worte aus der poetischen Sprache des neunzehnten Jahrhunderts in die nüchternen Sätze unserer Zeit fassen, dann bedeuten Arndts Worte nichts anderes als: Die Sprache ist es, die Volk und Nation konstituiert. Die gesprochene und geschriebene Sprache vermittelt das Bewußtsein der Zugehörigkeit zu sozialen Großgruppen. Sie bildet das Bewußtsein und ohne Bewußtsein der Zugehörigkeit gibt es weder Volk noch Nation. Diese Selbstvergewisserung ist eine wichtige Aufgabe auch der studentischen Verbindungen. Die Verbindungen haben sich instinktiv in den letzten Jahren abgeschottet. Das ist eine verständliche und auch richtige Reaktion gewesen. Nur in der Distanz zu chaotischen, widersprüchlichen, modischen Ereignissen der Gegenwartkann man zur Selbstvergewisserung kommen. Aber man darf nicht in dieser Haltung verharren. Also: Gleichzeitig Klausur und Außenwirkung. Wie kann das geschehen? Durch Parteiergreifen zur Bekämpfung des Übels. Man muß sich klar werden über das, was man ablehnt und bekämpft: Vaterlandslosigkeit, den kriminellen Antifaschismus und Deutschfeindlichkeit. Also Kampf dem Linksextremismus im weitesten Sinne, von dem heute die größte Gefahr ausgeht und nicht etwa von dem oftmals nach dem Motto "Haltet den Dieb" angeprangerten angeblichen Rechtsextremismus.

Wenn ich daraus folgere, daß man den eigenen Standort auch aus der Erkenntnis des zu bekämpfenden Übels findet, dann höre ich schon das Gegenargument, daß dies doch eine rein negative Zustandsbeschreibung sei. Wo bleibt denn das Positive? Nachdrücklich ist diesem Einwand entgegenzuhalten, daß die Erkenntnis des Übels nichts Negatives, sondern bereits das Positive ist.

Es ist wichtig, gegen das als verderblich Erkannte einzutreten. Wir wissen doch, daß wir ganz sicher Krieg und Bürgerkrieg vermeiden wollen, daß wir Rechtsstaatlichkeit und die Freiheit der Bürger bewahren wollen. Wir erkennen, daß die Freiheitlichkeit durch den Meinungsterror der Political correctness bedroht ist. Das muß immer wieder überprüft und auf Einzelfälle angewendet werden. Aber die Notwendigkeit der Differenzierung darf nicht so weit gehen, daß alles relativiert, alles beliebig wird. Wegweiser auf dem Weg zur Erkenntnis soll die Tradition sein. Es ist sicher notwendig, ja unerläßlich, den Mut aufzubringen, gegen den Strom zu schwimmen, unzeitgemäß zu sein. Wenn den Verbindungen vorgeworfen wird, unzeitgemäß zu sein, dann soll man nicht glauben, sich verteidigen zu müssen. Fröhlich und unbefangen möge man bekennen: Jawohl, wir sind unzeitgemäß im eben geschilderten Sinne. Wir leben in einer wendereichen Zeit Die nächste Wende kommt bestimmt. Es ist nur die Frage, welche Richtung sie nimmt und wer sie gestaltet. In unserer heutigen Demokratie ist manches faul. Aber es kommt uns ja nicht darauf an – und das unterscheidet uns von der extremen Linken – die bestehende politische Ordnung zu beseitigen. Im Gegenteil, es kommt darauf an, sie zu erhalten und zu stabilisieren, aber das Faule zu beseitigen. Die extreme Linke hat nach 1989 eine verheerende Niederlage erlitten. Ihr Zusammenbruch in politischer, ökonomischer, ideologischer und moralischer Hinsicht war total. So konnte das Mißverständnis aufkommen, von ihr gehe keine Gefahr mehr aus. Aber ab 1992 hat sie unter Manipulation des Antifaschismus wieder Tritt gefaßt und die versprengten Reihen notdürftig neu geordnet, bezeichnenderweise ebenfalls ausschließlich als eine Anti-Bewegung. Auch auf seiten der heutigen Linken gibt es keine positiven Zukunftsvisionen mehr, man kann nur sagen, was man ablehnt. Statt einer tragkräftigen Ideologie verfügt die heutige Linke über ein Konglomerat emotionaler Protestvorstellungen. Man ist gegen den "Faschismus", Rassismus, Imperialismus, Sexismus. Nicht durch Ideen, wie noch vor 1989, sondern mit konkreten Konflikten wird die linke Anhängerschaft mobilisiert.

Gerade wegen dieser konzeptionellen Schwäche des Gegners ist es nötig, daß Sie heraustreten aus den Häusern und hineingehen in die allgemeine Politik, aber auch in die Hochschulpolitik, auch in die Studentenparlamente. Die Burschenschaften sind auf diesem Gebiete ihrem eigenen Anspruch auf bisher nicht gerecht geworden. Dabei soll man sich vom Geheul der Gegner und der Faschismuskeule, die sie zur Abwehr schwingen, nicht beeindrucken lassen. Wichtig ist es auch, die Bedeutung der Medien richtig einzuschätzen und vor allem ist es wichtig, sich gegen Angriffe zu immunisieren. Nicht der Gegner ist stark, sondern die Feigheit in den eigenen Reihen ist des Gegners wichtigster Verbündeter.

Auch in einer Demokratie liegt die Entscheidung bei Eliten und das sind notwendig wenige. Die wenigen mögen sich zusammenfinden und sich zur Aktion zusammenschließen. "Fünf Finger sind keine Faust" – Schließen Sie sich zur Faust zusammen und gehen Sie offensiv, nicht defensiv, gegen die Feinde der Burschenschaften, des deutschen Volkes, der Freiheit, also den linksextremen Feind vor. Haben Sie keine Scheu, von den Methoden des Feindes zu lernen. Vom Gegner lernen, heißt, ihn besiegen lernen! Schließen Sie sich zusammen! Heraus aus den Häusern! Kämpfen Sie!


 
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