© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/97  15. August 1997

 
 
Sagen, was Sache ist
Kommentar
von Jürgen Hatzenbichler

Die Politik und die Sprache, das ist so ein Kapitel. Denn jeder weiß, daß Politiker Vorbilder sein müssen. Also sollten sie sich guter Umgangsformen bedienen und nett reden. Als es den Außenminister Wolfgang Schüssel aufgebrettelt hat, weil er den Chef der deutschen Bundesbank als "richtige Sau" bezeichnet hatte, weil er nicht wußte, welcher "Trottel" jetzt denn der schwedische oder der dänische Ministerpräsident sei, da hat es halbwegs ein Mediengewitter gegeben, getragen von einem Ton der moralischen Entrüstung, wie er in Zeiten der Political correct-ness nun einmal üblich ist. Der Herr Außenminister wird es sich merken müssen: außenpolitisch hat man schön zu sprechen. Es lebe die Etikette der Diplomaten, wo man den Stil über alles stellt. Und wenn man einem zeigen will, daß man ihn für eine Sau oder einen Trottel hält, dann gibt es dafür subtile Gesten, die stilsicher geregelt sind. Anders aber ist das in der Innenpolitik: In die hat sich ja unlängst der europäische Gerichtshof eingemischt. Zu selbigem war der Ex-Herausgeber des eingestellten Linksintellektuellenhefts Forvm, Gerhard Oberschlick, gewandert, weil er sich für unterdrückt hielt. Dieser erlaubte, was österreichische Gerichte für illegitim hielten. Oberschlick darf Haider als "Trottel" bezeichnen. Zuvor hatte der jetzige ORF-Mitarbeiter einen jahrelangen juristischen Krieg in der Heimat geführt. FP-Chef Jörg Haider hatte nämlich wegen der Trottel-Bezeichnung geklagt und die alpenrepublikanische Justiz gab ihm recht, daß man ihn nicht als "Trottel" bezeichnen dürfe. Dem Sturschädel Oberschlick war das nicht einsichtig und er hat sich durchgesetzt. Nun ist also gerichtsnotorisch bekannt, daß Haider nicht nur der "Ziehvater des rechtsextremen Terrors" ist, sondern auch ein "Trottel". In der Demokratie legt man an sich ja Wert auf einen zivilisierten Umgang. Denn die Theorie besagt, daß in solch einem "aufgeklärten" Staatswesen man rational miteinander umgehen müsse. In der Mediengesellschaft allerdings ist das nicht immer so einfach, denn die Schlagzeilen bekommt der, der die saftigsten Sprüchlein aufsagen kann. In diesem Sinn wurde Jörg Haider immer vorgworfen, daß er das politische Klima verschärfe. Das sei die Gefahr des Populismus, seine radikale Rhetorik. De facto jedoch hat Politik immer etwas mit Emotionen zu tun und wer auf diesem Feld am besten surfen kann, der hat die Nase vorn. Die harten Sprüche werden immer beim politischen Gegner angeklagt, wenn man selbst sie liefert, dann ist das legitim.

Wenn die Politiker verrohen, so verrohe auch das Volk, so lautet die These der Tugendwächter. In Wirklichkeit geht der Prozeß aber andersrum: das Volk ist immer schon roh. Am Stammtisch wird gesagt, was Sache ist, deswegen haben aufgeklärte Intellektuelle auch solche Angst vor dem Stammtisch.


 
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