© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/97  15. August 1997

 
 
Gemeinsamkeit
Kolumne
von Alfred Mechtersheimer>

Der Marathonlauf bis zur Bundestagswahl hat begonnen. Politiker entdecken das Volk und fordern Maßnahmen gegen die Ausländerkriminalität, was sonst einen Eintrag ins Buch der Verfassungsfeinde einbrächte. Alle fordern die sofortige Änderung genau jener Politik, die sie selbst zu verantworten haben.

Wenn am 27. September 1998 die Wahllokale schließen, ist alles vergessen. Dann werden wieder diejenigen, die tagaus tagein vor der Zuwanderung, vor dem Euro oder der Globalisierung warnen, als Rechtsextremisten diffamiert und in ihrer Meinungsfreiheit beschnitten. Kann dieses folgenlose Vereinnahmung des Wählerwillens, die sich vor jeder Wahl wiederholt, nicht endlich durch eine wirkliche Alternative gestoppt werden?

Die Alternative zum Niedergang liegt weder links noch rechts. Wo ist der Unterschied zwischen linken und rechten Internationalisten? Beide richten Deutschland zugrunde. Jetzt ziehen wieder Werbekolonnen der Union durchs Land. Selbst Konservative, die als nationale Hoffnungsträger galten, fallen auf die Bauernfänger herein und übersehen das Kleingedruckte, wo steht, daß "prinzipiell die gegenwärtig amtierende bürgerliche Regierung politisch (zu) unterstützen" sei, als habe nicht sie die Vernichtung der Deutschen Mark, die Arbeitslosigkeit, die hohen Staatsquote, das Verprassen deutscher Steuergelder im Ausland und den Zerfall der nationalen Identität zu verantworten.

So lange der nationale Protest über die "rechte Brücke" parteipolitisch immer wieder neutralisiert wird, kann keine nationale Partei entstehen. Dafür bedarf es eines zeitraubenden Bewußtseinswandels durch eine Volksbewegung, die aber noch in den Anfängen steckt. Deshalb bleibt für die kommenden zwölf Monate nur dieses aus der Not geborene Experiment: Weil alle Neugründungen gescheitert sind, bleibt für die Bundestagswahl nur die Konzentration aller nationalen Kräfte auf diejenige Partei, die mit den größten Chancen ins Rennen geht. Welche Partei dieses Pferd sein wird, kann nach den Bürgerschaftswahlen in Hamburg am 21. September besser beurteilt werden als heute. Dann ist Gemeinsamkeit gefordert und Verzicht auf eigene Interessen und die Preisgabe von Vorbehalten gegenüber der ausgewählten Partei und vor allem Zivilcourage. Dieses Notprogramm kann gelingen, wenn jener Geist der nationalen Gemeinsamkeit glaubhaft vermittelt wird, den die Wähler in Bonn so sehr vermissen.


 
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