© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/97  15. August 1997

 
 
Kino: "Karriere Girls" von Mike Leigh beginnt und endet langweilig
Die beiden Damen kichern gerne

von Ellen Kositza

Als "Frauenfilme" apostrophierte Werke erfordern für gewöhnlich eine melancholische, teils gar ins Laue tendierende Grundstimmung, um nicht anschließend enttäuscht das Theater verlassen zu müssen. Als gingen Pubertät und Wechseljahre beim weiblichen Geschlecht nahtlos ineinander über, haftet Frauen in Frauenfilmen eine gewisse Fadigkeit, eine Art seichter Haßtiefe an. Selbst wenn man sich mental auf eben diese Konditionen jenes problemorientierten Filmgenres eingelassen hat, bereitet "Karriere Girls" als neuer Film des Starregisseurs Mike Leigh nichts als Verdruß.

Zentrum der Geschichte ist das Wiedersehen zweier Frauen Mitte dreißig, die sich einst während ihres Studiums eine Wohnung geteilt haben. Annie (Lynda Steadman) als psychotische Neurodermitikerin und Hannah (Katrin Cartlidge) als manische Hyperaktive finden nach zahlreichen gegenseitigen seelischen Verletzungen, entsprungen aus massiven Verhaltensstörungen, schließlich als Freundinnen zueinander. Annie - das wird ganz am Rande angedeutet - könnte in ihrer Kindheit Opfer sexuellen Mißbrauchs geworden sein, und Hannah hatte während ihrer gesamten Kindheit und Jugend unter dem Alkoholismus ihrer Mutter zu leiden. Das sind einige der Topoi, die Frauenfilme für gewöhnlich zu konstituieren pflegen. Mit diesem sozialen Hintergrund wollen die beiden fast schon als Karikatur gezeichneten Jugendlichen in ihrer seelischen Armseligkeit begriffen werden.

Der Mut zur Häßlichkeit, schrieb eine Rezensentin der Frankfurter Rundschau, sei hier so überwältigend, daß man "auf Knien nach England rutschen" und um Vergebung für das "gelackte neudeutsche Filmschaffen" bitten möchte. Dabei erhebt nicht einmal ihr einfach nur unästhetisches Aussehen die jungen Studentinnen über Mittelmaß und Bedeutungslosigkeit. Insgesamt erscheinen beide als belanglose und uninterressante Gestalten, die ein Studentenleben führen, das nicht weniger uninteressant wirkt: Wälzen vermeintlicher Probleme ("Ich denke, Ehrlichkeit ist meine Kardinal-Eigenschaft. Doch, so ist es!"), einige wenige Partys, noch weniger Männer, hysterische Ausbrüche und hin und wieder ein paar Tränen.

Eben dies Durchschnitts-Studentenleben lassen die beiden Singles nun sechs Jahre später noch einmal Revue passieren. Mittlerweile haben sich beide Frauen ihrer postpubertären Spleens weitgehend entledigt, üben solide Brufe aus, kleiden sich geschmackvoller als einst - doch an der inneren Verletztlichkeit der äußerlich als "Karriere Girls" wirkenden Damen hat sich nichts wesentlich geändert. Das scheint das Anliegen von Leighs Film zu sein: Die alltägliche Diskrepanz zwischen der harten Schale und inneren Sensibilität aufzuzeigen, nur bedient er sich einer unangenhem sentimentalen Stimmung, die Hintergründigkeit nicht einmal vorzuspielen vermag; unwichtig und plump statt wahrhaftig und subtil wirkt das rückblickende Geplänkel und Gekicher der Damen. So kommt es, daß einem im Verlaufe des Films die Lust vergeht, sich auf die "Handlung" einzulassen und man die unpassende Hoffnung hegt, es möge doch etwas Unerwartetes passieren. Vielleicht würde ja die eine oder andere aus dem Fenster springen, als Konsequenz ihrer manifesten Beziehungsgestörtheit lesbisch werden oder sonst etwas tun, was dem Film Sinn, Pointe oder Hintergrund geben würde. Jedoch: Der Film endet, wie er begonnen hat - langweilig.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen