© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/97  15. August 1997

 
 
Frankreich: Kommunalpolitische Bilanz in Toulon, Orange und Marignane
Wo der Front National das Sagen hat

von Patrick Simpatico

In Frankreich sind die Steuerabgaben seit Menschengedenken nur erhöht worden. Dieser scheinbar unaufhaltsamen Tendenz zum Trotz gelang es den drei südfranzösischen Bürgermeistern des Front National (FN), auf lokaler Ebene trotz hoher Verschuldungs-Altlasten eine Wende herbeizuführen.

In Marignane, wo 1996 die Abgabepflichten der Bürger um drei Prozent gesenkt wurden, kündigte FN-Bürgermeister Daniel Simonpieri für dieses Jahr eine weitere Reduzierung um fünf Prozent an. In Orange, wo man im vergangenen Jahr ein Nullwachstum verzeichnete, sanken die Steuern 1997 um ein Prozent. Die Herabsetzung der Parkgebühren einer neuen Groß-Tiefgarage erwies sich als geschickte Sparmaßnahme, die eine Erhöhung der Einkünfte um über 20 Prozent ermöglichte. Das Projekt war von der vorhergehenden sozialistischen Stadtverwaltung initiiert worden und erwies sich für sie als finanzielles Fiasko, da der Tiefbau von der Bevölkerung wegen zu hoher Gebühren ignoriert wurde.

In Toulon hinterließ die Vorgängerverwaltung unter UDF-Bürgermeister Trucy die Kassen in einem solch desa-strösen Zustand (die Verschuldung belief sich auf 250 Millionen Franc), daß eine Steuer-Reduzierung zunächst nicht möglich schien. Nach einer vorübergehenden Anhebung um 5,5 Prozent (der landesweite Durchschnitt liegt zur Zeit bei 8 Prozent) konnten für dieses Jahr die Steuern wenigstens um ein Prozent gesenkt werden.

Der Front National hat sich in seiner Wahlpropaganda stets über die Taschenspielertricks der für die öffentlichen Haushalte zuständigen Politiker lustig gemacht, die die Gelder von einer Tasche in die andere zu verteilen pflegen. Zumindest in Marignane, Orange und Toulon hat der FN bisher den Beweis erbracht, daß es tatsächlich anders geht. Drastische Einsparungen setzte man im Bereich der öffentlichen Ausgaben durch: Die Verteilung von Subventionen wurde neu reglementiert und transparenter gemacht. In Orange hatten jahrelang korrupte Beamte Überstunden fiktiv abgerechnet. Als dies FN-Bürgermeister Jacques Bompard bekannt wurde, strich er sofort die Mittel und sparte damit einige tausend Francs ein. Erhebliche Einsparungen konnten auch dadurch erzielt werden, daß man systematisch bestimmte öffentliche Projekte erst auf Ausschreibungen hin vergab. In Orange wurden so bei der Wiederinbetriebnahme der Mülldeponie das Stadtsäckel um 900.000 Francs entlastet.

Die FN-Bürgermeister haben ferner eine Reduzierung der Kosten des Trinkwassers erreichen können: In Marignane kostete 1996 der Kubikmeter Wasser 19,18 gegenüber 17,80 Francs in diesem Jahr; in Orange wurde der Preis pro Kubikmeter erstmals um 17,6 Prozent gesenkt, nachdem die Kosten vorher innerhalb von sechs Jahren um über 51 Prozent gestiegen waren. Außerdem wurden Maßnahmen zur Reduzierung des Müllaufkommens durch die Einrichtung von Recycling-Sammelstellen ergriffen; und die öffentlichen Verkehrsmittel sind in den vom Front National regierten Kommunen für Arbeitssuchende, Rentner, ehemalige Kriegsteilnehmer und für Empfänger des Mindesteinkommens inzwischen kostenlos, während anderswo ermäßigte Tarife gelten. Auch in Sachen Sicherheit fällt die Bilanz positiv aus: In den drei Städten und kürzlich auch in Vitrolles wurde das Kontingent der "Police Municipale" erheblich erhöht. In Marignane kam eine motorisierte Brigade hinzu, in Orange werden mehr Nachtstreifen gefahren, und in Toulon patroulliert die Polizei jetzt ehrfurchtgebietend zu Pferde. Das Ergebnis all dieser Maßnahmen: In Marignane ging die Kriminalität um 3 Prozent und in Toulon um 7 Prozent zurück, während in Orange 14 Prozent weniger Straftaten registriert wurden, wobei in den übrigen Teilen des Departements die Tendenz gegenläufig ist.

In Vitrolles will die am 9. Februar gewählte neue FN-Bürgermeisterin Catherine MZgret eine ähnlich bürgernahe Politik betreiben. So wurde als erste Maßnahme eine Reduzierung der Diäten für den Bürgermeister und seine Beigeordneten um 30 Prozent angeordnet sowie die Abschaffung von Dienstwagen. Bei der Subventionspolitik des sozialistischen Vorgängers Jean-Jacques Anglade konnte man Unregelmäßigkeiten aufdecken: Zum Beispiel teilten sich 9 Prozent der Vereine 81 Prozent aller Zuschüsse. Es stellte sich heraus, daß die Leiter der so privilegierten Vereine sämtlich zum Bekanntenkreis Anglades gehörten.

Im Kultursektor haben alle FN-Bürgermeister mit der "Multi-Kulti"-Tendenz zugunsten der in den regionalen und nationalen Traditionen verankerten Künstler gebrochen, sehr zum Unwillen einer um ihre Pfründe fürchtenden Linksschickeria. - Den meisten Bürgern gefällts, und die Chancen für eine Wiederwahl der FN-Bürgermeister sowie für den Einzug weiterer Kandidaten der Rechtspartei in die Rathäuser stehen gut.


 
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