© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/97  08. August 1997

 
 
Peter Hoegs neuer Roman bei Hanser: Die Frau und der Affe
Der Affe stammt vom Menschen ab
Rezension
von Albrecht E. Driesen

Nachdem "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" mit 3,5 Millionen verkauften Exemplaren unverhofft zum literarischen Welthit avanciert ist und die Premiere der gleichnamigen Verfilmung auf der Berlinale für Furore gesorgt hat, legt Peter Høeg nun mit "Die Frau und der Affe" noch einmal nach, als wolle er die Öffentlichkeit schmieden, solange sie auf ihn noch heiß ist. Dabei geht Høeg erstaunlich raffiniert vor für jemanden, der mindestens ebenso emsig wie an seiner literarischen Produktion auch an seinem Image als moralisch integerer, politisch korrekter, rechtschaffener, vor allem aber bescheidener und aufgrund seiner übergroßen Sensibilität manchmal ein wenig linkisch wirkender Schriftsteller arbeitet. Wohldosiert gibt er Informationen an die Öffentlichkeit oder hält sie zurück. So gab er zweieinhalb Jahre lang keine Interviews und steigerte durch diese künstliche Angebotsverknappung das Interesse der Medien an seiner Person. Für einen, der nicht müde wird, lobend auf den durch ihn selbst geübten Konsumverzicht hinweisen und der vorgibt, die Untiefen des Kommerz jederzeit sicher umschiffen zu können, verhält sich der Autor erstaunlich clever.

Erzählt wird die Geschichte von Madelene Burden, die an der Seite ihres Ehemannes Adam, einem Zoologen von Weltrang und Chef des renommierten "Institut of Animal Behavioural Research" in ähnlicher Weise gefangen ist wie die Tiere des Londoner Zoos in ihren Käfigen. Sie bezwingt ihren unstillbaren Freiheitsdrang mit Alkohol, bis in Gestalt eines gigantischen Menschenaffen die unbezwingbare Natur in ihr domestiziertes Leben einbricht. Dieser Affe mit dem Namen Erasmus ist jedoch kein gewöhnlicher Gorilla, er gehört vielmehr einer bisher unbekannten Spezies an und wurde eigens nach London gebracht, um Adam Burdens wissenschaftliche Karriere zu krönen, was freilich nichts anderes bedeutet, als daß der Schädel des Affen geöffnet werden soll, um sein Gehirn zu erforschen. Burden glaubt aufgrund der Überlegenheit des Menschen über die Kreatur nicht nur zu diesem Vorgehen berechtigt, sondern wegen seiner wissenschaftlichen Berufung sogar geradezu dazu verpflichtet zu sein. Daher flieht Erasmus aus nachvollziehbaren Gründen, nicht ohne beträchtlichen Flurschaden in Londons "Royal English Yacht Club" anzurichten, dorthin, wo das Gesetz gilt, das er kennt, das Gesetz des Großstadt-Dschungels. Dennoch wird er gefangen und in einen Käfig in Burdens Garten verbracht, wo Madelene sich für ihn zu interessieren beginnt. Ab hier wird die Handlung zu einer Collage von Versatzstücken aus "Tarzan", "King Kong" und "Die Schöne und das Biest". Als Madelene und Erasmus sich in einander verlieben und Erasmus dann auch noch ganz verständig zu sprechen beginnt, zeigt sich der eigentliche Clou der Geschichte: Erasmus ist die evolutionäre Fortentwicklung des Menschen, die diesen vom Siegertreppchen der Schöpfungsgeschichte schubst.

Es ist ein schönes Buch, kurzweilig und spannend bis zur letzten Seite. Erstaunlich nur, daß der Autor rein gar nichts daran profitieren mag. Großmütig spendete Høeg alle Einnahmen aus diesem Roman dem Lolwe Fond, einer humanitären Stiftung, die er selbst mit 250.000 Kronen ins Leben gerufen hat und die den Zweck verfolgt, nicht nur Kinder und Frauen in der Dritten Welt an seinem Vermögen, sondern auch ethisch minderbemittelte Westeuropäer an seinem Edelmut teilhaben zu lassen. Darüber hinaus spendet er zehn Jahre lang 15 Prozent seiner gesamten Einnahmen diesem Fond. Es ist sicher nichts gegen soziales Engagement oder gegen den verantwortungsbewußten Umgang mit dem eigenen Vermögen zu sagen, im Gegenteil, in diesen Zeiten wäre mehr davon wünschenswert. Zur Schau gestellte Selbstbescheidung aber ist die vermutlich subtilste Form der Unbescheidenheit.


 
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