© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31/32/97  25. Juli/ 01. August 1997

 
 
Rechte Konkurrenten: Die Schalcht um Hamburg wird zum Testlauf Bonn
"Das ist der glatte Wahnsinn"
von Richard Stoltz

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Wenn am Morgen des 21.September in Hamburg die Wahllokale ihre Pforten öffnen, werden sich die Hanseaten die Augen reiben. Mehr als 30 Parteien, Wählervereinigungen und Einzelbewerber wollen sich um die 121 Mandate in der Hamburger Bürgerschaft bewerben.

Die endgültige Entscheidung über die Zulassung zur Wahl wird der Landeswahlleiter zwar erst am 22. August treffen. Bis dahin müssen alle Parteien, die nicht in einem Landesparlament oder dem Bundestag vertreten sind, mindestens 500 Unterstützungsunterschriften vorlegen.

Die bei der Bürgerschaftswahl vor vier Jahren erfolgreichste Rechtspartei waren die Republikaner. Mit 4,8 Prozent verfehlten sie nur knapp den Einzug ins Landesparlament. Noch heute machen führende Parteifunktionäre die Konkurrenz von rechts - eine Wählergemeinschaft von DVU und NPD, die 2,8 Prozent erzielte - für das Scheitern verantwortlich.

Stimmen kosten könnte den Republikanern in diesem Jahr vor allem der Bund Freier Bürger (BFB), der zum ersten Mal zu einer Landtagswahl antritt. Damit rechnet jedenfalls der stellvertretende Wahlkampfkoordinator Gerhard Tempel. "Brunner könnte unseren Erfolg verhindern", sagte Tempel gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Entsprechend optimistisch gibt sich der am vergangenen Samstag gewählte Hamburger Landesvorsitzende und designierte Spitzenkandidat des BFB, Kristof Berking. Der 32jährige Jurist prognostiziert seiner Partei ein Ergebnis zwischen drei und sechs Prozent. Mit einem konsequenten Anti-Euro-Wahlkampf - "Hamburg wählt den Euro ab" lautet das zentrale Wahlkampfmotto - will der BFB vor allem enttäuschte CDU- und FDP-Wähler ansprechen, erläutert Berking seine Strategie.

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zieht mit ihrem Landesvorsitzenden Ulrich Harder als Spitzenkandidat in den Wahlkampf. Der 68jährige Diplom-Kaufmann gehört seit den sechziger Jahren der NPD an; den Hamburger Landesverband führt er seit 1990. Der ältesten deutschen Rechtspartei steht ein Wahlkampf-Etat von etwa 200.000 DM zur Verfügung. Mit rund 4.000 Stelltafeln und einer Wahlkampfzeitung, für die eine Gesamtauflage von 500.000 Stück angepeilt ist, will die NPD um die Gunst der Hamburger Wähler buhlen.

Auf seine Einschätzung des Wahlausgangs angesprochen, sagt Harder: "Ich gehe davon aus, daß wegen der Zersplitterung der rechten Parteien niemand in die Hamburger Bürgerschaft einziehen wird." Eine Prognose zum eigenen Abschneiden will er indes nicht geben. "Das werden wir sehen."
Was die Bündnispolitik und Zusammenarbeit mit anderen rechten Parteien angeht, beruft sich Harder ausgerechnet auf den Hamburger Verfassungsschutzbericht für 1996. Darin heißt es: "Halbwegs ernsthafte Bemühungen um eine rechtsextremistische Kräftebündelung und wahltaktische Verständigung gingen in Hamburg nur von der NPD aus. Dem DVU-Bundesvorsitzenden waren - trotz gegenteiliger Behauptungen - machttaktische Erwägungen und finanzielle Interessen wichtiger, als ungewisse und daher als riskant empfundene bündnispolitische Initiativen."

Von der Deutschen Volksunion des Nationalzeitung-Verlegers Gerhard Frey war trotz mehrerer telefonischen Anfragen der JUNGEN FREIHEIT keine Stellungnahme zu erhalten. In der Münchner Parteizentrale mochte man nicht einmal den Namen des Spitzenkandidaten bekanntgeben.

Die jungen Alten (dja) sind in der Tat "jung", sie gründeten ihre Wählervereinigung am 22. November 1996. Die mit ihrer Spitzenkandidatin Gerda Wittuhn-Fritz (72), Rentnerin, in den drei Bezirken Nord, Wandsbek und Eimsbüttel antretenden jungen Alten möchten, nachdem sie recht rasch die notwendigen Unterstützungsunterschriften beisammen hatten, Akzente vor allem im Sozialen, der Sicherheitspolitik und der Ausländerpolitik setzen.

Die 142 Mitglieder verstehen sich nicht als bloßes Interessengrüppchen für den immer größer werdenden Teil der Bevölkerung, der die aktiv am Leben teilnehmenden "jungen Alten" umfaßt. In ihrer Wahlkampagne, die sie größtenteils über Infostände laufen ließen, greifen sie den "SPD-Filz" an, deren "Vasallen" ihrer Meinung nach in allen wichtigen Positionen sitzen und lähmend auf notwendige Veränderungen in der Hamburger Politik wirkten. Straffällig gewordene Ausländer sollen nicht weiter hierzulande, sondern künftig in ihren Heimatländern verurteilt werden. Die eigene Wahlprognose der zweiten Vorsitzenden der dja: 5,5 Prozent.

Unternehmen Deutschland … eine Partei für alle (UDP) mit zur Zeit 238 Mitgliedern, den Angaben zufolge unter anderem Diplom-Kaufleute, Wirtschaftsfachleute und ihr erster Vorsitzender, der designierte Spitzenkandidat für die Hamburgwahl, Josef Gröger (58), selbständig, werden nach eigenen Angaben neben der Hamburger Bürgerschaftswahl am 21. September auch zur nächsten NRW-Landtagswahl sowie an der Bundestagswahl im Herbst 1998 teilnehmen. Programmatische Schwerpunkte der Partei liegen in den Bereichen Arbeit, Recht und Innere Sicherheit. Für Hamburg hat sie zum Ziel: eine "aufgestockte Polizei, die eigenständiger als bisher arbeiten muß", einen "Beamtenstatus ausschließlich für Beschäftigte der Justiz, Polizei und Berufsfeuerwehr", alle anderen sollten künftig "Sozialversicherungsbeiträge abführen". Kriminellen müßte durch eine "volle Ausschöpfung der Gesetze" begegnet werden. Die "Machtergreifung der Arbeitslosigkeit" ist aus Sicht der UDP ein weiteres, zu bekämpfendes Faktum in Deutschland. Beispielsweise möchte die UDP für den Lehrstellenmarkt erreichen, daß Handwerkskammern "verantwortliche Partnerschaften" mit Meisterbetrieben, die bisher nicht die Kriterien für einen Ausbildungsbetrieb erfüllen, übernehmen, um so mit Hilfe von Ausbildungsbetreuern neue Lehrstellen zu schaffen.
Die Zersplitterung des Wahlbewerberspektrums bedauert die UDP, sie selbst konnte jedoch Einzelbewerber von einer Kandidatur zugunsten der UDP abbringen. Die eigene Wahlprognose der Partei für Hamburg: Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde.

Die STATT Partei (Die Unabhängigen) mit ihrem Spitzenkandidaten Jürgen Hunke (54), ehemaliger Präsident des Hamburger Sportvereins (HSV) und selbständiger Kaufmann, hat seit der Wachablösung im Parteivorstand ein deutlich konservativeres Profil gewonnen. Als Koalitionspartner der regierenden SPD ist die STATT Partei mit ihren rund 600 Mitgliedern jedoch mit in der Verantwortung und muß sich gegen Konkurrenten im gleichen politischen Lager behaupten.

Die Bereiche "Innere Sicherheit" und "Justiz" werden von der "Ex-Wegener-Partei" in Zukunft besondere Aufmerksamkeit erfahren. Sie möchte das Erwachsenenstrafrecht ab dem 18. Lebensalter greifen lassen, ausländische Kriminelle rasch abschieben und den sogenannten "Großen Lauschangriff" sowie die "Umkehr der Beweislast bei Geldwäsche" verwirklichen. Daneben sind die Verkehrspolitik, Wirtschaft und Arbeit, Haushaltskonsolidierung und die Deregulierung der Verwaltung weitere Schwerpunkte der Parteiarbeit. Für ihre Wahlkampagne, darunter auch einen Kinospot, steht der STATT-Partei ein Etat von 450.000 DM zur Verfügung.

Der STATT-Gründer Markus Wegener, der die Partei vor zwei Jahren verließ, wirft der Parteiführung im allgemeinen - und Jürgen Hunke im besonderen - vor, die Wahlkampfzentrale und seine Versicherungsagentur in unzulässiger Weise zu verquicken und eine sogenannte "Probemitgliedschaft" für Interessierte, ohne Aufnahmeantrag, Stimm- und Nominierungsrecht anzubieten. Die Vorwürfe lassen Jürgen Hunke kalt. Er prognostiziert seiner Partei ein Ergebnis zwischen sechs und acht Prozent.

Mit an den Start geht diesmal auch die traditionsreiche Deutsche Partei (DP), die bis 1960 in den Bundesregierungen vertreten war und nun nach einer längeren Phase der Abstinenz wieder auf das politische Parkett zurückkehren möchte. Als Sprungbrett dazu soll die Hamburg-Wahl dienen. Der kleine Landesverband von rund 125 Mitgliedern und Unterstützern geht mit dem Bankdirektor a.D. Rufolf Dorner in den Wahlkampf und wird schwerpunktmäßig wirtschafts- und sozialpolitische Themen einbringen. Der besondere Akzent der sich als ausgesprochen gesamtdeutsch verstehenden Partei liegt auf dem Föderalismus.

Den Einzug ins Parlament wird die DP mit Sicherheit verfehlen, trotzdem hofft sie zumindest auf ein mehrprozentiges Achtungsergebnis. Angesprochen auf die zahlreiche Konkurrenz, die gemeinsam mit de DP am Start steht, hat das Bundesvorstandmitglied Wilken Weseloh nur ein "Das ist glatter Wahnsinn" parat.

Von ganz anderem Kaliber sind da schon die beiden nicht-linken Umweltparteien. Die bereits bei der letzten Landtagswahl angetretene Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Die Tierschutzpartei) hat zwar bundesweit nur wenige hundert und in der Hansestadt gerademal zweieinhalb Dutzend Mitglieder und können deshalb auch nur über einen bescheidenen Wahlkampfetat von rund 2.000 Mark verfügen. Trotzdem gibt man sich bei der Tierschutzpartei aufgrund der guten Resonanz bei der erfolgreich abgeschlossenen Sammlung der Unterstützerunterschriften optimistisch. Drei Prozent seien durchaus im Rahmen des Möglichen, erläutert der Spitzenkandidat Gernot Dreher (50).
Mit dem Schwerpunkt Tierschutz wird die Partei vor allem die Wähler ansprechen, denen die Grün-Alternativen unwählbar sind. Daß das im Prinzip der eher konservativ eingestellte Bürger ist, erscheint den sich lieber an die Sozis anlehnenden Tierschützern offensichtlich kein Widerspruch.
Daß die Konkurrenz nicht nur das Geschäft belebt, sondern auch die Erfolgschancen mindert, ist für Dreher weniger ausschlaggebend. Auf Nachfrage, was er von der Flut der Listen hält, gibt er sich ausgesprochen gelassen: "Je mehr Parteien, desto besser für die Demokratie".

Diesem Motto scheint auch die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) zu frönen. Die in Süddeutschland kommunalpolitisch stark verankerten konservativen Ökologen können im Norden der Republik auf praktisch kaum eine Basis zurückgreifen. Entsprechend bescheiden wird auch der Wahlkampf und schließlich auch das Wahlergebnis sein. Aber das entspricht in allerwörtlichstem Sinne einem alten Wahlkampflogan der Partei: "Weniger ist mehr".

Im Jahresbericht ziehen die Hamburger Verfassungsschützer ein vorweggenommenes Fazit. Obwohl "rechtsextremistische" Parteien weitgehend übereinstimmende politische Inhalte vertreten, bewiesen sie ihr eigenes Unvermögen, da sie nicht kooperierten. Wörtlich: "Sie sind unfähig, ihre gegenseitige Blockade zu überwinden, Führungsansprüche zurückzustellen und gemeinsame Bestrebungen parteiopportunistische Erwägungen voranzustellen."

 
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