© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/97  18. Juli 1997

 
 
Porträt: Hans-Jürgen Wischnewski
Experte in Sachen Nahost
von Günter Gussmann

Hin und wieder vermag sich der "Held von Mogadischu" in Erinnerung zu bringen: 1978, als er seinen Besitz in Liblar, den er als Entwicklungsminister kostengünstig erworben hatte, mit sattem Schnitt veräußerte; 1991, während des Golfkriegs, als bekannt wurde, daß die gewerkschaftseigene Firma Boswau & Knauer Saddams atomsicheren Luxusbunker erbaut hatte und er als Aufsichtsrat den Autrag eingefädelt hatte. Und jüngst, als er sich mit anderen Gaumenfreunden für ein in Finanznöte gekommenes Schicki-Micki-Freßlokal in der Kölner Altstadt ins Zeug legte.

Aus seiner Jugendzeit hat Wischnewski nur wenig bekannt werden lassen: 1922 geboren in Allenstein/Ostpreußen, mit fünf Jahren nach Berlin, 1941 Abitur, Soldat und zuletzt Oberleutnant mit EK 1. Nach '45 kam er mittellos in Köln, wurde IG Metall-Sekretär, Mitglied der SPD, brachte es bis zum Juso-Bundesvorsitzenden und beteiligte sich an den frühen Aktionen gegen (amerikanische) Atombomben. 1957 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt.
In der späten Adenauerzeit mit ihrer pro-israelischen Ausrichtung entdeckte er die arabischen Länder als außenpolitische Marktlücke. Die Kumpaneien mit Rotchinesen in Nordafrika und gute Bekanntschaften mit Deserteuren, die im Algerienkrieg deutschstämmige Fremdenlegionäre zur Fahnenflucht drängten, brachten der BRD außenpolitischen Ärger mit Amerika und Frankreich ein.
1966 drängte die Verabschiedung der Notstandsgesetze. Der mächtige IG-Metall-Boß Brenner legte sich quer. Wischnewski trat in sein Kuratorium gegen die Notstandsgesetze ein. Wehner schmiedete die Große Koalition. Wischnewski, jetzt SPD-Bundesgeschäftsführer, kippte, als Ministerämter in einer künftigen sozial-liberalen Regierung winkten. In der Uni Köln wurde er von den SPD-Zöglingen SDS und SHB niedergebrüllt und mit Tomaten beworfen. Die Wiederwahl in den Bundestag 1969 sicherte Onkel Herbert.

Von Brandt "Ben Wisch" getauft, wurde er nach dessen Sturz von Kanzler Schmidt in die Regierung übernommen. Es kam die RAF und damit 1977 der Deutsche Herbst. Bei der Schleyer-Entführung sollte er bei seinen arabischen Freunden (nicht) herausfinden, welches Land die in Stuttgart einsitzenden Terroristen aufzunehmen bereit sei. Es folgte die Entführung der Lufthansamaschine mit achtzig Geiseln und die Befreiung in Mogadischu. Wischnewski 1992: "Letztlich haben wir das Todesurteil über Schleyer gesprochen!"

Mit dem Sturz der Regierung Schmidt 1982, endete seine Laufbahn als Staatsmann. In der SPD blieb er im Parteivorstand, zuletzt als Schatzmeister. Im Streit mit Hans-Joachim Vogel schmiß er 1985 alle Parteiämter hin. Seine Bundestagsbewerbung wurde 1990 nicht erneuert.
Der Altgewordene ist krank. Er hat eine schwere Gelenkoperation hinter sich. Am 24. Juli wird er 75 Jahre alt.

 
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