© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/97  11. Juli 1997

 
 
Deutscher Herbst: Versöhnung mit Ex-Terroristen
Isolation, selbstgewählt
Meinungsbeitrag
von Thorsten Thaler

In wenigen Wochen jähren sich die Ereignisse aus dem "Deutschen Herbst" von 1977 zum zwanzigsten Mal. Ereignisse, die die (alte) Bundesrepublik in ihren Grundfesten zu erschüttern drohten und eine Staatskrise heraufbeschworen: die Geiselnahme des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und dessen spätere Ermordung durch ein Kommando "Siegfried Hausner" der Roten Armee Fraktion (RAF), die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" durch ein palästinensiches Terrorkommando sowie die Erstürmung und Befreiung der 87 Geiseln an Bord des Flugzeuges durch die GSG 9.

Für die Medien ist dieser "Deutsche Herbst" ein gefundenes Fressen. Landauf, landab haben sich Fernsehsender, Zeitschriften und Zeitungen – den inneren Gesetzen der Mediokratie folgend – dieser quoten- und auflagenträchtigen Geschehnisse bemächtigt. Zu Wort kommen fast ausschließlich Ex-Terroristen. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht ein Kassiber des noch inhaftierten Christian Klar; Friedrich Küppersbusch lädt sich Inge Viett in seine Sendung "Privatfernsehen" ein; die Zeit publiziert ein Gespräch mit Horst Mahler und der Spiegel interviewt Irmgard Möller – die Zurschaustellung von Täterperspektiven scheint grenzenlos.

Eine rühmliche Ausnahme bildet da der ARD-Zweiteiler "Das Todesspiel". Das beklemmende Dokumentationsdrama von Heinrich Breloer, von der FAZ als "das größte Fernsehereignis seit Jahren" gelobt, erzielte Ende Juni zu Recht eine millionenstarke Zuschauerresonanz.

Wie unbelehrbar die Täter von einst bis auf den heutigen Tag geblieben sind, zeigt exemplarisch ein Darf-ich-Dich-mal-was-fragen-Gespräch, das der konkret-Autor Oliver Tolmein mit Irmgard Möller führte und das als Buch ("RAF – Das war für uns Befreiung") im Hamburger Konkret Literatur Verlag erschienen ist. Nur schwer zu entscheiden ist, was einem mehr die Sprache verschlagen soll, die verharmlosend im Konjunktiv daherkommende Frage oder die menschenverachtende Antwort der Ex-Terroristin. Tolmein: "Würdest Du auch die Tötung von Hanns Martin Schleyer als Fehler ansehen?" Möller: "Nein. Wenn man nicht bereit ist, jemanden wie Schleyer zu töten, darf man ihn erst gar nicht entführen."

Diese Verbohrtheit von Möller und ihrer Gesinnungsgenossen führt alle Versuche, sich mit den Tätern von gestern zu "versöhnen", ad absurdum. Daß man auch eine andere Haltung zum Umgang mit den Terroristen von damals einnehmen kann, hat in der vorvergangenen Woche Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt in einem Interview mit der Zeit bewiesen. Auf die Frage, ob er sich eine "Versöhnung" vorstellen könne, antwortete Schmidt: "Prinzipiell sehe ich keinen Grund, weswegen ich Terroristen, Mördern die Hand zur Versöhnung entgegenstrecken soll." Dies gelte zumal für einen Mörder, "der heute noch der Meinung ist: Eigentlich haben wir es richtig gemacht, leider hatten wir Pech". Ihn, Schmidt, interessiere "nur am Rande", was ehemalige Terroristen heute denken.

Eine Versöhnung mit Unbelehrbaren, mit Ewgigestrigen kann und darf es nicht geben. Die Isolation früherer RAF-Kader ist eine selbstgewählte; sie ist die Fortsetzung ihrer Isolation in Kampfzeiten unter anderen Umständen. Dabei soll es bleiben.


 
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