© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/97  11. Juli 1997

 
 
Rechtsstaat: Sinn und Unsinn des großen "Lauschangriffs"
Der große Bruder hört mit
von Ernst Fröhlich

Es ist also soweit: Die viel diskutierten und umstrittenen Ermittlungsmethoden, Lauschangriff und Rasterfahnung, werden unserer Exekutive gesetzlich zur Verfügung gestellt. Während aber in Presse, Politik und Interessensvertretungen noch wegen der Ausnahmeregelungen für Berufsgeheimnisträger wie Pfarrer, Ärzte u. ä. streiten, schreitet die Mobilkom-Austria, die "Handy"–Abteilung der Post, zur Tat: In der Mai-Ausgabe des Mobilkom-Magazins Handy-World, kündigte sie die Einführung des neuen "Einzelgesprächsnachweises" an. Dabei wird dem Inhaber eines Handys angeboten, er könne im Nachhinein feststellen, "wann, wie lange und mit wem er telefoniert hat". Dieses Vorteil gibt es freilich nicht umsonst: Nur wer monatlich öS 50,– Grundgebühr und zusätzlich 10 Groschen pro abgedruckter Zeile bezahlt, erhält eine vollständige Aufstellung, welches Datum, die Gesprächsdauer, die Kosten und die angerufene Telefonnummer jedes Gespräches in der Abrechnungsperiode enthält.

Da der Kunde dafür bezahlen muß, erscheint ihm diese Art der Überwachung völlig in Ordnung, und er kommt auch gar nicht auf die Idee, nach Datenschutz zu fragen oder ein gängiges Argument der Lauschangriff-Diskussion einzuwenden. Außerdem wird der Handybesitzer auch noch von der Mobikom beruhigt: "Aus gesetzlichen Gründen dürfen die Rufnummern im Einzelgesprächsnachweis nur in verkürzter Form dargestellt werden." – Voller Schutz für die Privatsphäre ist also nicht möglich!

Während der dornenreiche Weg bis zur Einführung der neuen Fahndungsmethoden diese selbst ad absurdum geführt hat, kommt "Big Brother" viel sublimer zu uns. Real gesehen, bewirkt der "legale Lauschangriff" genau das Gegenteil dessen, was er bezwecken sollte. So dürfen zum Beispiel Vereine generell belauscht werden, nicht aber solche, deren Zweck mit geschützten Daten im Zusammenhang steht. Rassische Herkunft, politische Anschauung, religiöse Überzeugungen, Sexualleben und ähnliche Informationen bleiben den Lauschern vom Dienst dadurch verschlossen. Damit werden aber genau jene Bereiche geschützt, die es eigentlich auszuforschen galt: Kinderpornographie, terroristische Gruppierungen und religiöse Sekten, um nur wenige zu nennen.

Ebenso wird kriminellen Elementen nichts näher liegen, als Scheinvereine zu gründen, diese mit dem Deckmäntelchen "geschützte Daten" zu umgeben und sich somit für den Lauschangriff unantastbar zu machen. Während Vater Staat in Zukunft nur unbescholtene Bürger bespitzeln darf, kommen Mitglieder diverser Insider-Gruppen, wie die Mitarbeiter der Mobilkom-Austria, völlig legal zu Datenmaterial, das für die Polizei zwar eventuell von Interesse wäre, auf das sie aber – möglicherweise – keinen Zugriff hätte.

Wieviele Lücken die zahlreichen Datentransfers des Alltags tatsächlich haben und wie problematisch diese sind, läßt sich nur schwer abschätzen. Sicher scheint allerdings, daß der "Einzelgesprächsnachweis" kein Einzelfall ist, sondern ein gutes Beispiel dafür, daß unsere Gesellschaft in Wirklichkeit transparenter ist, als wir alle dachten. Der Herr Innenminster kann da wohl laut frohlocken: Big brother hört mit.


 
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