© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/97  11. Juli 1997

 
 
Versorgungsfalle
Kommentar
von Bernd-Thomas Ramb
 

Der Staat ist knapp bei Kasse. Schon jetzt sind Waigel und Konsorten gezwungen, die letzten Vermögensreserven zu verkaufen oder bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau als nicht mehr einlösbares Pfand zu hinterlegen, um die Neuverschuldung des Haushalts abzumildern, nachdem die verfassungsmäßige Schranke – keine höhere Neuverschuldung als die Summe der Nettoinvestitionen – bereits überschritten ist.

Damit ist des Pudels Kern bereits blank gelegt. Die Staatshaushalte – in Bund, Ländern und Gemeinden – sind mittlerweile durch unvermeidbare, weil rechtlich verbindliche Zahlungsversprechen so vollmundig geworden, daß für gestaltende Investitionen kein Spielraum mehr vorhanden ist. Kurz, für die Verbesserung von Schulgebäuden oder deren Neuerrichtung ist kein Geld vorhanden, weil beispielsweise die gesetzliche Selbstverpflichtung zur Alimentation von Sozialhilfebeziehern als unantastbar erklärt wurde.

Gleiches gilt auch für die Alimentation der Staatsdiener. Die Zahlungsverpflichtungen des Staates an seine Beamten steigen in den kommenden Jahrzehnten drastisch an. Nach einer Hochrechnung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer steht den öffentlichen Haushalten im nächsten Jahrhundert mehr als eine Verdreifachung der Personalausgaben bevor, von 153,6 Milliarden DM im Haushaltsjahr 1995 auf 476,4 Milliarden DM im Jahre 2030. Dabei fällt der Ausgabenanstieg für die Gehälter der Beamten vergleichsweise moderat aus – von etwa 100 Milliarden auf knapp 270 Milliarden. Saftiger steigen dagegen die Pensionszahlungen. Während 1995 weniger als 40 Milliarden Ruhestandszahlungen geleistet wurden, steigt dieser Betrag im Jahre 2030 auf 172 Milliarden DM. Dann fallen 36 Prozent der staatlichen Personalausgaben allein für die Alimentation der Pensionäre an – die Beihilfezahlungen noch nicht einmal eingerechnet. 1,3 Millionen Staatsdiener a.D. harren dann ihrer Versorgung, die ihnen mehr noch als den umlagegeschädigten Zwangsmitgliedern des staatlichen Rentensystems vertraglich zugesichert wurde. So ohne weiteres läßt sich daher eine Kürzung der Beamtenpensionen nicht bewerkstelligen.

Der eigentliche Witz bei der Beamten-Hochrechnung ist jedoch, daß sich die geschätzten Steuereinnahmen in diesem Zeitraum ebenfalls fast verdreifachen, so daß die Haushaltsfinanzierung nach heutigen Defizitmaßstäben gesichert ist. Da mit dieser Festschreibung aber auch die staatlichen Investitionsausgaben in ein minimales Korsett gezwungen sind, dürfen die Beamten des nächsten Jahrhunderts ihren Dienst in Gebäuden verrichten, die mangels Investitionsmöglichkeiten verfallen sind, und Ausrüstungen verwenden, die aus dem letzten Jahrhundert stammen werden.


 
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