© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/97  11. Juli 1997

 
 
Bosnien: Für ihren multikulturellen Traum scheut die US-Regierung keine Kosten und Mühen
"Dayton, Dayton über alles…"
von Martin Schmidt

Auf Don Quichottes Spuren unternimmt die US-Regierung alles, um die vom Krieg in Ex-Jugoslawien verursachte Auflösung der multinationalen Strukturen in Kroatien und Bosnien rückgängig zu machen. Der Status quo des bosnischen Staats soll unbedingt erhalten werden.

In dieses Konzept paßt auch die kürzlich bekanntgewordene Einflußnahme Washingtons auf eine Kreditentscheidung der Weltbank zuungunsten Kroatiens von Anfang Juli. Das Exekutivdirektorium der Weltbank vertagte nach entsprechender Intervention des US-Außenministeriums einen Kredit für Zagreb in Höhe von 30 Millionen Dollar auf unbestimmte Zeit. Die Begründung: Kroatien habe seine Verpflichtungen aus dem Vertrag von Dayton unzureichend erfüllt, was die Rückkehr serbischer Flüchtlinge sowie die Auslieferung von Kriegsverbrechern an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag betrifft. Der kroatische Vizepremier Borislav Skegro sprach von einer "Schande", daß die USA die Weltbank zur "Lösung bilateraler Probleme" instrumentalisiere. Eine sofortige Rückkehr aller Flüchtlinge könne unmöglich realisiert werden, und in der Kriegsverbrecher-Frage sei mehr Ausgewogenheit gefragt, erklärte Skegro mit Blick vor allem auf die bosnische Seite.

Gegen die Kroaten wird ferner eingewandt, daß sich in der herzegowinischen Hauptstadt Mostar die kroatisch besiedelten Bezirke verwaltungstechnisch zu einer eigenen Stadt zusammenschließen wollen, um so dem Wunsch nach nationaler Selbstregierung Genüge zu tun.

Auch ökonomisch wird mit maßgeblicher Hilfe der Vereinigten Staaten in Bosnien einiges auf die Beine gestellt – gemäß der Hoffnung, daß die Befriedigung materieller Bedürfnisse die ideellen Wünsche in den Hintergrund treten läßt. So wird zur Zeit das bosnische Eisenbahnnetz in Richtung Kroatien im Hau-Ruck-Verfahren instand gesetzt. Bis September sollen umgerechnet knapp acht Millionen Mark made in USA dafür sorgen, daß die Schienen wieder flott sind. Später, wenn SFOR-Soldaten die Trasse von Minen geräumt haben, will man den Norden des Landes eisenbahntechnisch wieder mit Ungarn verbinden.

Im Machtkampf, der derzeit zwischen der Präsidentin der Srpska Republika in Bosnien, Biljana Plavsic, einerseits und Radovan Karadzic, dem entlassenen Innenminister Kijac und der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) andererseits ausgetragen wird, halten US-Regierung und UNO der Präsidentin nicht ohne Grund die Stange. Britische SFOR-Soldaten unternahmen gar eine militärische "Präventivaktion" zum Schutz des Amtssitzes von Frau Plavsic in Banja Luka. Die Präsidentin gilt schließlich als durchaus kooperativ in der Frage des Erhalts der bosnischen Föderation. Biljana Plavsic wirft dem geschaßten Innenminister u. a. vor, die Zusammenarbeit mit der internationalen Polizeitruppe für Bosnien abzulehnen.

Hinter Kijac und dem nach Dayton abgesetzten Präsidenten Karadzic steht jedoch nicht nur die Mehrheit der Armee und des Geheimdienstes im serbischen Teil des bosnischen Staatswesens, sondern vor allem Präsident Slobodan Milosevic in Belgrad.

Am 3. Juli wurde das Parlament der Srpska Rebublika nun durch die Präsidentin aufgelöst, die zugleich Neuwahlen für den 1. September ankündigte. Der bisherige Ministerpräsident Klickovic warf Plavsic daraufhin vor, jenen Staaten nachgegeben zu haben, die auf eine Integration der eigenen serbischen Republik in den bosnischen Staat drängten. Der Vertreter der OSZE in Bosnien, Frowick, bekundete parallel dazu die volle Unterstütung seiner Organisation für Frau Plavsic, da diese alles tue, um den Vertrag von Dayton gegen die Karadzic-nahe Demokratische Partei Serbiens durchzusetzen.

Kritiker der starren Politik Washingtons und auch Bonns in Südosteuropa gehen davon aus, daß schon jetzt für eine multikulturelle Fiktion Milliardensummen in den – bosnischen – Sand gesetzt wurden. Und es sieht alles danach aus, daß noch etliche weitere Milliarden folgen werden.


 
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