© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Zwielichtiger Hintergrund
von Werner Olles

Im südhessischen Main-Kinzig-Kreis stehen bei den Gewerkschaften die Zeichen auf Sturm. Ihre harte Kritik gilt jedoch ausnahmsweise nicht den Arbeitgebern oder der Bundesregierung, sondern dem Vorsitzenden des DGB Main-Kinzig/Offenbach, Ferdinand Hareter. Dieser geriet unter den Beschuß seiner Kollegen von ÖTV und IG Bau, weil er gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Diakonischen Flüchtlingshilfe, dem Langenselbolder Dekan Peter Gbiorczyk, und Pfarrer Willi Hausmann vom Hanauer Helferkreis den Main-Kinzig-Kreis scharf attackiert hatte.

Der Kreis will zwei Flüchtlingsfamilien aus Ex-Jugoslawien keine Sozialhilfe mehr zahlen, da diese nach polizeilichen Erkenntnissen über genügend Einkünfte aus dem illegalen Handel mit unverzollten Zigaretten und Autos besitzen. Bei einer Hausdurchsuchung waren bei einem Mitglied der Familie 25 Stangen Zigaretten und 5.000 DM gefunden worden.

DGB-Chef Hareter und seine geistlichen Mitstreiter vertreten dagegen die Auffassung, daß die Familien mittellos seien und nicht für die kriminellen Handlungen einzelner Mitglieder kollektiv bestraft werden dürften. Das läßt jedoch der Vorsitzende der ÖTV im Main-Kinzig-Kreis, Michael Schweitzer, nicht gelten: "Unsere Leute und die Personalvertretung des Kreises sind stinksauer. Sie fühlen sich vom DGB nicht mehr vertreten."

Noch schärfer reagierte der Geschäftsführer der IG Bau, Horst Herrmann, der sogar mit seinem Austritt aus dem Vorstand des DGB drohte. Er will die Sache im Kreisvorstand zur Sprache bringen, weil Hareter sich im Namen des DGB immer wieder für Dinge einsetzte, die einen "zwielichtigen Hintergrund" hätten. Als jedoch im Winter Tausende von Bauarbeitern arbeitslos gewesen seien, hätte es weder vom DGB noch von den Kirchen "einen Aufschrei" gegeben. Dabei müsse ein arbeitsloser Bauarbeiter mit dreiköpfiger Familie mit 1.800 DM Arbeitslosengeld auskommen, während eine gleich große Familie von Asylbewerbern 3.200 DM Sozialhilfe erhalte. Gerade die Bauarbeiter seien hier besonders empfindlich, weil eine Viertelmillion von ihnen in Deutschland auf der Straße stünde, während 400.000 Ausländer illegal auf den Baustellen beschäftigt würden. Der IG Bau-Chef wörtlich: "Hareter soll sich um die Probleme der Arbeitnehmer kümmern und nicht um die gestrichene Sozialhilfe einzelner Asylbewerberfamilien, die unser Sozialsystem illegal ausnutzen."

Auch die ÖTV-Mitglieder der Kreisverwaltung kritisieren, daß sich der DGB-Vorsitzende auf die Seite derer gestellt habe, die Bedienstete des Kreises und damit auch Gewerkschafter unmenschlicher Taten beschuldigten und sie mit Schlägen, Drohungen und Beschimpfungen attackierte. So wird zum Beispiel gegen einen der Familienväter wegen Beleidigung und Bedrohung von Mitarbeitern der Leitstelle für Flüchtlinge in Schlüchtern ermittelt. Nach Aussage des Sozialdezernenten Erich Pipa (SPD) soll dieser Asylbewerber sogar einen Kreismitarbeiter niedergeschlagen haben.

DGB-Chef Hareter hatte schon einmal den Unwillen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf sich gezogen, weil er eine Hausdurchsuchung bei Vorstandsmitgliedern des Kurdischen Kulturzentrums in Hanau, das nach polizeilicher Auffassung eine Zentrale der verbotenen PKK war, als "brutales und unmenschliches Vorgehen" der Beamten bezeichnet hatte. Die Staatsanwaltschaft konnte allerdings keinerlei rechtswidriges Verhalten der Polizei erkennen und stellte die Ermittlungen ein.

Hareter hat sich bis jetzt zu den schweren Vorwürfen der Einzelgewerkschaften nicht geäußert. Allein die Tatsache, daß offenbar mehr und mehr Gewerkschafter das verbissene und fanatische Eintreten einzelner Funktionäre für kriminelle Asylbewerber und Ausländer als gewerkschaftsschädigend und unsozial erkennen, ist bemerkenswert genug. Hier bahnt sich eine Wende an, die den notorischen "Gutmenschen" noch zu schaffen machen dürfte.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen