© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Tricks und Verwirrungen beim Euro-Roulette
von Mario Raff

Wenn man alte Leute fragt, weshalb sie denn Vorbehalte gegenüber einer neuen, einheitlichen europäischen Währung haben, dann hängt eine der Antworten, die man bekommt, oft mit den Erfahrungen mit der Reichsmark der zwanziger Jahre und der Zeit vor der Währungsreform im Jahr 1948 zusammen. Die Jahre, in denen Ersparnisse, Löhne und Gehälter einem dramatischen Wertverfall unterworfen waren, prägten und lassen die Menschen bei Experimenten mit der bewährten, stabilen Währung äußerst sensibel reagieren.

Die Jungen jedoch haben nie eine dauerhaft instabile deutsche Währung erlebt, können sich kaum vorstellen, daß eine über die Maßen herrschende Inflation schlimmere Auswirkungen auf ihre Lebenssituation haben kann, als eine Staatsquote von über 50 Prozent und hohe Steuern und Abgaben. Unter den Deutschen hat aber die Skepsis oder gar Ablehnung gegenüber dem Euro, je näher der Termin zur Einführung rückte, stetig zugenommen. Daran änderten auch verstärkte Werbekampagnen, mit Unterstützern von Berti Vogts bis Norbert Walter, der Europäischen Kommission und der Bundesregierung nichts. Neu indes ist jedoch die Tatsache, daß die kritischen Stimmen unter Fachleuten, auch unter denen, die man bisher kaum hörte, lauter und vielstimmiger wurden.

Ein angesehener Experte, der Nobelpreisträger und Finanzprofessor an der Universität von Chicago, Merton H. Miller, sieht im Euro einen "Trick der Fanzosen", den Franc und, durch die Währungsunion, dann auch die D-Mark und die Lira gegenüber dem Dollar abzuwerten und damit die Exportindustrie anzukurbeln. Kurzfristig seien auch positive Effekte realisierbar, doch die Importpreise und Löhne würden steigen und die Inflation im Zuge dessen ebenfalls. Merton erwartet trotz allem die definitive Einführung des Euro, da die Regierungen die Konvergenzkriterien so auslegen werden, daß eine Beteiligung möglichst vieler EU-Staaten möglich werden wird. Weiter prognostiziert er weitreichende Turbulenzen in der Startphase der Euro-Union und selbst ein anschließendes Scheitern hält er nicht für ausgeschlossen. Bei der geplanten Währungsunion könnten die bestehenden strukturellen Differenzen im Binnenmarkt hernach nicht mehr über Wechselkursschwankungen ausgeglichen werden, und allein die deutsche Wiedervereinigung zeige, welcher Preis für beträchtliche Einkommensunterschiede gezahlt werden müßte.

Stoiber, Schröder, Schleußer. Sie plädieren für eine strikte Einhaltung der Konvergenzkriterien und nehmen damit zumindest eine Verschiebung der Währungsunion in Kauf. Mit welchem Hintergrund? Denn eigentlich ist es gleichgültig, ob Deutschland nun 3,0 oder 3,2 Prozent Haushaltsdefizit gegenüber dem BIP im Referenzjahr 1997 ausweisen wird, wenn denn der Euro um jeden Preis kommen soll. Stoiber und Schröder wollen keinen weichen Euro; sie wollen einen, der "so hart ist wie die 'Mark'". - Meinten sie etwa die Reichsmark?


 
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