© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Mär von der überbewerteten DM
von Bernd-Thomas Ramb

Unter den apokalyptischen Drohgebärden, was alles passiert, wenn der Euro verschoben oder gar abgesagt wird, zählt nach der Kriegsprognose ("und Krieg wird herrschen im deutschen Euro-Verweigerungsland") die Flucht in die D-Mark zur zweitschlimmsten Höllenqual ("und der Außenwert der D-Mark wird steigen ins Unermeßliche, auf daß Arbeitsplätze noch und nöcher verlustig gehen"). Die fanatischen Flagellanten der europäischen Einheitswährung übersehen dabei nicht nur den logischen Widerspruch, daß ausländische Anleger dann ihre Ersparnisse partout in einem kriegsbedrohten Land deponieren wollen, sondern auch die Fakten empirischer Tatsachen und das Gegenargument ökonomischer Ratio.

Die statistische Historie zeigt für den Außenwert der D-Mark einen nahezu konstanten Verlauf. Gemessen an dem 1972 fixierten Basiswert von 100 haben sich lediglich in den siebziger Jahren leichte Ausschläge nach oben ergeben. Seit 1980 unterschritt der Außenwert der Deutschen Mark den 1972er Wert, teilweise deutlich um bis zu 15 Indexpunkte. In diesem Zeitraum war die Deutsche Mark im Ausland somit merklich weniger wert. Aus gutem Grund, denn dies entsprach dem für den Außenwert langfristig allein entscheidenden Vergleich der nationalen ökonomischen Leistungsvermögen.

Diese Zahlen stehen offensichtlich im Widerspruch zu den Behauptungen der exportorientierten deutschen Großindustrie, ein hoher Außenwert der D-Mark hätte in den letzten Jahren zu einem Umsatzverlust und damit zu einem Abbau von Beschäftigten geführt. Zugegeben, die vorgestellten Daten messen den Außenwert der D-Mark nach Ausschaltung der unterschiedlichen Preissteigerungsraten, die wiederum auf die Inflation der Verbraucherpreise bezogen sind, - somit die volkswirtschaftlich relevante Größe. Die Exportindustrie bevorzugt dagegen eher nichtpreisbereinigte Daten. Aber selbst da hat sich in den neunziger Jahren nur ein geringfügiger Anstieg des Außenwertes der D-Mark ergeben.

Warum also das Gejammere der exportorientierten Industrie, man müsse die weiche Einheitswährung einführen, damit der angeblich hohe Außenwert der harten Deutschen Mark gebrochen würde? Die Erklärung kann nur lauten, man will sich - nun mit dem allerletzten Mittel - vor den anstehenden Strukturreformen drücken. Der Preis war noch nie das entscheidende Argument ausländischer Unternehmen für den Kauf deutscher Produkte. Die Entscheidung wurde bestimmt von dem Qualitätsvorsprung, der die heimischen Produkte auszeichnete. Aber den hat die weinerliche Exportindustrie vielfach schon lange verspielt.


 
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