© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/97  27. Juni 1997

 
 
Artenschutz: Konferenz in Harare legalisiert Elfenbeinhandel
Freibrief für Wilderer
von Gerhard Quast

Das begehrte Elfenbein wird wieder Handelsware und darf aus Namibia, Botswana und Zimbabwe nach Japan exportiert und dort zu Eßstäbchen verarbeitet werden. Trophäenjagden auf Braunbären bleiben weiterhin im Programm einschlägiger Reiseveranstalter. Selten gewordenen Papageien droht der Ausverkauf in die Käfige von Exotenliebhabern in aller Welt. Bedrohlich schwindende Mahagonivorkommen können weiter abgeholzt und zu exklusiven Möbeln verarbeitet werden, weil ein entsprechender Antrag die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlte. Die vom Aussterben bedrohten Lachsarten landen weiterhin in den Regalen unserer Supermärkte. Gänzlich ungeschützt und der Verfolgung ausgesetzt bleiben die vom Menschen zu blutrünstigen Bestien verteufelten Haie: Die Auflistung bedrohter Tier- und Pflanzenarten, die auf der diesjährigen CITES-Konferenz in Harare Wirtschaftsinteressen geopfert wurden, ist bei weitem unvollständig.

Mitschuld an dieser Misere tragen nach Ansicht von Artenschutzverbänden in erster Linie die Industrienationen. "Die Europäische Union", so kritisiert beispielsweise das Deutsche Tierhilfswerk (DTHW), das mit zwei Beobachtern die Konferenz in Zimbabwe hautnah mitverfolgte, "war mit ihrer passiven Haltung für diese Entwicklung mitverantwortlich."

Besonders hart wird die Aufhebung des seit sieben Jahren in Kraft gewesenen strengen Handelsverbotes mit dem "weißen Gold" kritisiert. "Mit der Wiederaufnahme des Elfenbeinhandels geht eine der großen Bastionen des Artenschutzes verloren", so DTHW-Specherin Daniela Freyer. Noch in den achtziger Jahren war der Handel mit Elfenbein Grund für das Abschlachten hundertausender Elefanten auf dem afrikanischen Kontinent. Nun darf auf Antrag Zimbabwes, Namibias und Botswanas ein beschränkter Verkauf der Lagerbestände – und vorerst auch nur nach Japan – erfolgen. Das gastgebende Zimbabwe argumentierte gegen ein generelles Handelsverbot mit der zu hohen Zahl der auf ihrem Gebiet lebenden Elefanten. Offiziellen Angaben zufolge leben in dem südafrikanischen Land rund 65.000 Elefanten. Das Land könne aber nur etwa die Hälfte verkraften, was nur den Schluß einer "nachhaltigen Nutzung" der Elefantenpopulation zulasse. Der Beschluß für die Nutzungsfreigabe sieht nun eine strenge Kontrolle und Überwachung des Handels von 1999 an vor. Innerhalb von nur 18 Monaten müssen die drei Länder kostenaufwendige Kontrollmaßnahmen für eine wirksame Überwachung installieren – was nach Ansicht des DTHW völlig unrealistisch ist. Die größte Gefahr geht allerdings weniger für die in diesen drei Ländern lebenden Bestände aus, sondern für die Dickhäuter Zentral- und Ostafrikas, die weiterhin stark gefährdet sind. Sollte in Zukunft verstärkte Wilderei festgestellt werden, so die Übereinkunft, wird der Beschluß zurückgenommen.

Noch im Vorfeld der Konferenz hatten sich die Staaten Europas gegen eine Nutzung des Elfenbeins ausgesprochen. Auf der Konferenz in Harare war davon nicht mehr viel zu verspüren. Daß Bundesumweltministerin Angela Merkel sich "bestürzt" über den Beschluß zeigt, ändert nichts an der Tatsache, daß sie den Beschluß indirekt mitzuverantworten hat. "Bei Uneinigkeit enthielt sich die EU, was im Falle der Elefanten einer Zustimmung zum Elfenbeinhandel gleichkam", so die Sprecherin des DTHW. Aber nicht nur diese zutage getretenen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Staaten der EU, auch der auf der Konferenz immer wieder gemachte Vorwurf des Neo-Kolonialismus ließ viele Industriestaaten davor zurückschrecken, sich vorbehaltlos für die Belange des Artenschutzes einzusetzen. Im Falle des Verbotes des Handels mit Elfenbein argumentierten die antragstellenden Staaten, der Westen führe in der Elfenbein-Frage einen Glaubenskrieg gegen den verarmten Süden und sehe Afrika als unterentwickelten Zoo für Urlaubsreisen an, so Zimbabwes Umweltminister. Aber gerade in diesem Fall ist dieser Vorwurf nun ganz und gar unsinnig. Während sich die Staaten der EU der Liberalisierung des Handels nicht in den Weg stellten, waren es insbesondere asiatische und afrikanische Länder, die gegen diese Entscheidung votierten. Nicht nur die Afrikanische Naturschutzvereinigung warnte vor jeglicher Wiederaufnahme des Handels, besonders vehement gegen die Handelsfreigabe sprachen sich die Elfenbeinküste, Zentralafrika und Kenia aus. Diese befürchten eine Zunahme der Wilderei vor allem in ihren Ländern. Ein generelles Handelsverbot erschien ihnen sicherer als ein Kontrollnachweis über die Herkunft des Elfeneins, der ihrer Ansicht nach kaum sichergestellt werden kann.

Daß es überhaupt möglich war, daß sich Namibia, Zimbabwe und Botswana mit ihrem Anliegen durchsetzen konnten, hat nach Ansicht von Beobachtern mit dem "ökonomisch motivierten Kuhhandel zwischen den CITES-Staaten" zu tun, so Daniela Freyer. Nachdem beispielsweise die lateinamerikanischen Länder für die Wiederaufnahme des Elfenbeinexports stimmten, votierten im Gegenzug die am Elfenbeinhandel interessierten Länder gegen Handelsbeschränkungen für Mahagoni. In gleicher Weise scheiterten so Schutzanträge für Braunbären, Papageien, Frösche, Schildkröten und verschiedene Fischarten.


 
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