© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/97  20. Juni 1997

 
 
EU-Währungsunion: Bolko Hoffmann über die Sieger und Verlierer der Einführung des Euro
"Großbanken sind die Profiteure"
Interview mit Bolko Hoffmann
Fragen: Kristof Berking / Dieter Stein

Die europäische Währungsunion sorgt bereits vor ihrer Einführung für eine Flucht an die Bärse, was ja eigentlich gut für einen Finanzdienstleister wie Sie ist. Warum sind dann ausgerechnet Sie gegen die Einführung des Euro?

Hoffmann: Es ist richtig, daß wir eine Flucht in die Sachwerte und damit zumindest in Europa in die Aktie haben. In Amerika ist das anders; dort ist die wirtschaftliche Entwicklung so hervorragend, daß die Aufwärtsentwicklung gerechtfertigt ist; in Europa nicht. Was haben wir davon, wenn vorübergehend die Aktien steigen und wir nachher, wenn wir sie verkaufen wollen, schwaches Geld besitzen und mit diesem Geld wenig anfangen kännen

Was verstehen Sie unter schwachem Geld?

Hoffmann: Unter schwachem Geld verstehe ich eine Mischung zwischen einer harten D-Mark und einer schwachen Lira oder einer schwachen spanischen Peseta.

Wie erklären Sie sich die Einmütigkeit deutscher Eliten für den Euro? Warum sind die Banken und ihre Verbände dafür?

Hoffmann: Es kann von Einmütigkeit der deutschen Eliten überhaupt nicht die Rede sein. Der überwiegende Teil der Wirtschaftswissenschaft ist gegen den Euro, selbst die Wirtschaftswissenschaftler, die die Bundesregierung beraten, sind für Verschiebung. Nur die Spitze der deutschen Industrie, soweit sie exportabhängig ist, befürwortet den Euro. Der überwiegende Teil der Wirtschaft, insbesondere der Mittelstand, ist gegen den Euro. Die Aktion Initiative "Pro DM" hat einen solchen Zuspruch, daß 99 Prozent der Leute die Initiative unterstützen wollen und gegen den Euro sind.

Was sind denn dann die Motive, die Kohl bewegen, unter Hochdruck dieses Projekt "Euro" zu verfolgen?

Hoffmann: Die Motive für Kohl und für Helmut Schmidt sind ganz klar - denn ursprünglich kam ja diese einheitliche Währungsidee von Helmut Schmidt -, sie wollen einen Platz in der Geschichte bekommen. Aber unter Berücksichtigung der äkonomischen Fakten hätte der Euro zum gegenwärtigen Zeitpunkt katastrophale Folgen. Es sei nur daran erinnert, daß es gerade die CDU war, die seinerzeit sagte, erst die politische Union und dann die einheitliche Währung und nicht umgekehrt. Kein Geringerer als der Volkswirt der Bundesbank, Professor Issing, sagt, das Pferd wird von hinten aufgezäumt.

Professor Issing gibt auch zu, daß sich der monetäre Sektor ungesund weit vom Güterwarenaustauschsektor entfernt habe. Ist das richtig - und wenn ja, was muß die Politik für Maßnahmen ergreifen, daß diese beiden Sektoren wieder in Deckung kommen?

Hoffmann: Es ist richtig, was Professor Issing sagt, und die Politik kann gar keine Maßnahmen mehr ergreifen, wenn sie den Euro einführt. Sie kann nur gegensteuern, wenn sie dieses Projekt fallenläßt.

Sie erklären als Hauptschuldige für diesen Euro-Kurs und für die Wirtschaftskrise nicht nur die verantwortlichen Politiker, allen voran Helmut Kohl, sondern vor allem die Banken.

Hoffmann: Genau! Der Deutsche Bank-Vorstandssprecher Breuer hat ja selbst jetzt vor wenigen Tagen den wirklichen Hintergrund offenbart. Die Großbanken, so Breuer wärtlich, sind die Profiteure. Es wird zu einer Konzentration im Bankwesen kommen, die Volksbanken und die Sparkassen mit ihrer Kundennähe haben es sehr schwer. Es ist ein einseitiger Vorteil nur für die Großbanken, die ohnehin in der Flucht ins Ausland, insbesondere nach London, das Heil sehen und ihre Geschäftsfelder ins Ausland verlegen. Dann bin ich natürlich auch für den Euro, aber eben nur dann! Für die deutschen Interessen ist das negativ. Und es ist auch für die europäischen Interessen negativ, denn sie werden den Wettbewerb nicht durchhalten. Gerade die südlichen Länder haben ihn in der Vergangenheit nur deswegen durchgehalten, weil sie mit Abwertungen immer wieder einen Gleichstand beziehungsweise einen Ausgleich erhielten. Es versprechen sich also die Großbanken, wie ja auch die internationalen Konzerne, die die Politiker zur Einführung der Europäischen Einheitswährung drängen, eine Stärkung ihrer Stellung zu Lasten des Mittelstands und der kleinen Unternehmen.

Sie fordern, die Macht der Banken zu brechen. Was soll man darunter verstehen?

Hoffmann: Das Wichtigste, um die Macht der Banken zu brechen, ist, das Depotstimmrecht abzuschaffen und wie in Amerika eine Dreiteilung durchzusetzen, also Kreditgeschäft, Bärsengeschäft und - ganz wichtig - Investmentgeschäfte zu trennen. Nur so ist die Macht der Banken zu brechen.

Sehen Sie denn für Ihre Forderungen politische Unterstützung?

Hoffmann: Zumindest bin ich der Ansicht, daß Schräder auf der einen Seite und Biedenkopf und Stoiber auf der anderen Seite noch am nächsten meinen Forderungen entgegenkommen. In der Frage der Bekämpfung der Macht der Banken allerdings weniger, wohl aber in der Bekämpfung des Euros.

Man wirft Eurokritikern vor, sie würden sich nur einer notwendigen Reform pessimistisch widersetzen aber selbst keine Alternative vorweisen. Gibt es denn keine positive Alternative?

Hoffmann: Die positive Alternative heißt, es so zu belassen wie bisher. Wenn wir den Euro bekommen, heißt das für unsere Rentner, die durch die hähere Lebenserwartung ohnehin eine geringere Rente bekommen, daß sie dann noch weniger Geld zur Verfügung hätten. Wenn sie jetzt noch mit einer gräßeren Inflationsentwicklung rechnen müssen, werden sie zum Sozialfall. Das gleiche gilt für die Sparer.
Könnten Sie sich vorstellen, daß es Teilfusionen von Währungen geben wird?

Hoffmann: Die gibt es ja heute schon. Praktisch sind die starken Länder, also Holland, Deutschland, …sterreich und auch die Schweiz geldpolitisch aneinander gebunden. Wenn die Bundesbank irgendeine Entscheidung trifft, entscheidet sie für alle diese Währungen mit. Diese Länder kännten eine einheitliche Währung verabreden. Nur das bringt ja nichts. Das einzige, was sie einsparen, ist das Eintauschen. Aber politisch bringt es nichts, wenn sie diese Länder miteinander verbinden. Die anderen schaffen es nicht, das heißt, deren Volkswirtschaften sind zu schwach. Sie kännen nicht mithalten. Sie müssen erst ein einheitliches Steuersystem einführen, sie müssen ein einheitliches Kartellrecht haben, sie müssen generell ein einheitliches Zollrecht haben, dann kännen sie als Schlußpunkt - dagegen ist dann nichts einzuwenden - eine einheitliche Währung beschließen. Das wäre frühestens in 20 Jahren mäglich. Ich persänlich würde dann allerdings den südeuropäischen Staaten immer noch keine einheitliche Währung empfehlen, weil sie auch dann nicht in der Lage sind, den Wettbewerb gegen die währungsstarken Länder durchzuhalten. Auch dann brauchen Sie meines Ermessens noch immer "ihre" Abwertungen.

Warum ist der politische Widerstand in Deutschland gegen den Euro auch in den Parlamenten praktisch nicht da?

Hoffmann: Das ist für mich ein absolutes Rätsel. Schräder verfügt im Vergleich zu Kohl über 60 Prozent oder noch mehr Stimmen bei der Bevälkerung, 63 Prozent der SPD-Mitglieder sind auf seiner Seite. Und dennoch sind die Parlamente für den Euro. Das ist für mich überhaupt nicht verständlich. Die Politiker heben ab und vertreten überhaupt nicht mehr die Interessen des Volkes.

Ist der Schröder denn wirklich ein Eurogegner, oder spielt er nur auf dieser Klaviatur? Wenn er aber an der Macht wäre, würde er letztendlich Kohls Kurs fahren?

Hoffmann: Ich kann zwar nicht seine wirklichen Gedanken lesen, aber seine Argumentation ist der meinen sehr ähnlich oder der eines Professor Hankel oder auch eines Herrn Stoiber.

Wenn man jetzt diese aktuelle Maastricht II Konferenz ansieht und die Ergebnisse, die dort sehr schwammig formuliert wurden, hat man den Eindruck, der Zug fährt weiter, es gibt kein Halten mehr gegen den Euro.

Hoffmann: Zunächst einmal ist es anders, als es in der deutschen Presse dargestellt wird. Die Sieger sind auch jetzt in Amsterdam wieder die Franzosen, nicht die Deutschen. Denn die Franzosen haben erstmals durchgesetzt, daß arbeitsrechtliche Maßnahmen überhaupt mit berücksichtigt werden müssen, wogegen bisher gekämpft wurde. Ich glaube immer noch nicht, daß der Zug endgültig abgefahren ist. Nicht zuletzt deswegen, weil der Prozeß am Widerstand der Bevölkerung, die so massiv dagegen ist, scheitern dürfte. Ich kännte mir vorstellen, daß es bei der nächsten Bundestagswahl da zu Verschiebungen kommen könnte.

Wie soll denn der Wähler wählen, wenn alle für den Euro sind?

Hoffmann: Ich bin Wirtschaftler und kein Politiker. Dazu kann ich im Augenblick zumindest keine Stellungnahme abgeben, aber ich kännte mir vorstellen, daß es neue Konstellationen bis zur nächsten Bundestagswahl gibt, die den Willen des Wählers auffangen. Entweder die alten Parteien fangen ihn auf, wenn nicht, müssen sie damit rechnen, daß es neue Konstellationen gibt, die nicht rechts oder links sind, sondern durchaus auch in der Mitte liegen kännen.

Wie kommen Sie persänlich dazu, eine solche Initiative zu starten, auch mit dem Risiko, daß der Ruf Ihrer Zeitschrift mäglicherweise mit darunter leidet, wenn Sie sich ausdrücklich gegen den Kanzler stellen?

Hoffmann: Daß der Ruf meiner Zeitschrift da beeinflußt werden kännte, diesen Gedanken hatte ich sicherlich am Anfang. Aber ich bin ja von den 8000 Aktionären der Effecten-Spiegel AG dazu beauftragt worden. Heute ist es so, daß praktisch alle Aktionäre und fast alle Leser auf meiner Seite sind, obwohl, wenn man sie analysieren würde, sie zu 85 Prozent Wähler der Koalition sind und nur zu 15 Prozent SPD-Wähler. Dennoch sind sie fast geschlossen auf meiner Seite, was für mich schon ein Phänomen ist. Mäglicherweise werden die nächsten Bundestagswahlen nicht so laufen, wie Bonn sich das vorstellt, obwohl ich auch im Moment keine Alternative weiß.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen