© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/97  20. Juni 1997

 
 
UNO: Irische Präsidentin wird Nachfolgerin Jose Ayala-Lassos als Hochkommissar
Menschenrechte als Feigenlatt
von Martin Schmidt

Am Donnerstag letzter Woche ernannte UNO-Generalsekretär Kofi Annan die 52jährige Irin Mary Robinson zur neuen Hochkommissarin der Weltorganisation für Menschenrechte. Annan erklärte sich zuversichtlich, daß Frau Robinson das seit dem 15. März vakante Amt bereits vor Beginn der 52. UNO-Vollversammlung Mitte September antreten kann, obwohl ihr Mandat als Präsidentin der Republik Irland erst im Dezember endet. Es gilt als sicher, daß die Wahl Robinsons von der Mehrheit der Vollversammlung gebilligt wird.

Der aus Protest erfolgte Rücktritt des letzten UNO-Kommissars für Menschenrechte, des Ekuadorianers Jose Ayala-Lasso, war vällig zu Unrecht von den deutschen Medien kaum wahrgenommen worden. Immerhin resignierte mit Ayala-Lasso eine hächst bemerkenswerte Persänlichkeit.

Nachdem die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1993 die Schaffung dieses Amtes beschlossen hatte, stimmten die Delegierten am 14. Februar 1994 der Ernennung des UNO-Repräsentanten Ekuadors zum ersten Hochkommissar für Menschenrechte zu. Als am 20. Februar 1997 aus UNO-Kreisen in der Schweiz verlautete, daß der eigentlich für vier Jahre gewählte Ayala-Lasso dem Ruf seines Landes auf den Außenministerposten sofort zu folgen gedenke, hieß es nur, westliche Staaten hätten sich schon länger an dem Lateinamerikaner gestärt. Vor allem war es die US-Regierung, die sich zunehmend über die Hartnäckigkeit Ayala-Lassos ärgerte, mit der er seinem Hochkommissariat gräßere Geltung zu verschaffen suchte. Tatsache ist, daß für die Menschenrechtsarbeit der Weltorganisation in Genf ein Personal von maximal 150 Leuten zur Verfügung steht, davon nur ein Drittel fest angestellte Mitarbeiter. Der jährliche Finanzhaushalt umfaßt derzeit 18 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Beim UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge arbeiten rund 5.000 Beschäftigte; an Geldern stehen dort pro Jahr 1,4 Milliarden Dollar zur Verfügung. UNICEF kann sogar mit einem Personalbestand von 7.000 Leuten "klotzen", und die rührigen Menschenrechtler von Amnesty International zählen allein in ihrer Londoner Zentrale 500 Aktivisten.

Josè Ayala-Lasso war nicht mehr bereit, dieses Ausmaß an Ungleichbehandlung zu akzeptieren. Ebenso wie seine Mitarbeiter hatte ihn das Übermaß an personell nicht zu bewältigender Arbeit und die mehr symbolische denn reale materielle Unterstützung seines Hochkommissariats frustriert. Wie groß die Aufgabenfelder in den zurückliegenden Jahren gewesen sind, läßt die Nennung nur einiger weniger Regionen erahnen, die Ayala-Lasso vor dem Hintergrund akuter Krisen oder zum Zweck der Beratung bei der Einführung von Menschenrechtsnormen besucht hat: Ruanda, Burundi, Bosnien-Herzegowina, Bundesrepublik Jugoslawien, Kambodscha, Kolumbien, Indonesien, Estland, Lettland, Litauen, Tunesien, Nepal, Malawi usw.

Mindestens 1.000 Beschäftigte seien in Wahrheit nätig, um hier wirklich effektiv tätig zu werden, heißt es von informierter Seite. Doch die US-Regierung, die in UNO-Angelegenheiten noch immer maßgeblich ist (dies hat nicht zuletzt die Durchsetzung Kofi Annans als neuem UNO-Chef gezeigt), wollte nicht. - Der Mann aus Ekuador mußte den Eindruck gewinnen, daß eine wirkungsvolle Menschenrechtsarbeit seines Hochkommissariats gar nicht gewollt ist. Nur ein Feigenblatt abzugeben, das war jedoch nicht seine Sache.

Was die unkonventionelle Arbeit des vor allem von Staaten der sogenannten "Dritten Welt" gestützten Ekuadorianers tatsächlich wert gewesen ist, zeigt aus deutscher Perspektive die Vergegenwärtigung seiner Grußbotschaft zur Gedenkstunde "50 Jahre Flucht, Deportation, Vertreibung" in der Frankfurter Paulskirche am 28. Mai 1995. Darin wandte sich der Hochkommissar gegen "Kollektivstrafen" sowie "ethnische Säuberungen" und verwies u. a. auf das Bekenntnis der Vereinten Nationen zum Heimatrecht, wie es in der Resolution 1994/24 festgehalten ist. Dieser Passus unterstreicht nicht zuletzt das Recht von Flüchtlingen und Vertriebenen, "in Sicherheit und Würde in ihr Herkunftsland zurückzukehren".
Der lateinamerikanische Politiker hatte mit dem deutschen Volk keinerlei Probleme; auch vor diesem Hintergrund gab es immer wieder Zwist mit dem organisatorisch eigenständigen UNO-Menschenrechtszentrum.

Josè Ayala-Lasso handelte nach einem Grundsatz, den es gerade in diesen Tagen immer wieder zu betonen gilt und den der amerikanische Välkerrechtler Alfred M. de Zayas in seinem Beitrag der Festschrift für Hans Klein in die Schlußworte faßte: "Tatsächlich besitzt kein Volk das Monopol des Bäsen, kein Volk das Monopol des Leidens. Darauf, auf der Basis der Gleichheit der Menschenrechte, soll die Verständigung und Kooperation zwischen den Staaten aufgebaut werden." In einer Rede vor Experten im Februar dieses Jahres wandte sich Ayala-Lasso mit wegweisenden Worten an seine Zuhärer: "Ich mächte Sie ermutigen, nach effektiven Wegen zu suchen, um den Opfern des Bevälkerungstransfers Beistand zu verschaffen, denn was für einen Sinn hat ein Anrecht (auf die Heimat; Anm. d. Verf.), wenn es kein Mittel gegen seine Verletzung gibt? É Vielleicht kann das Heimatrecht auch in positiven Gesetzen festgeschrieben werden."


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen