© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/97  05. Juni 1997

 
 
Macht braucht Kontrolle
Kommentar
von Jürgen Hatzenbichler

Es ist nicht gerade häufig, daß sich die drei Oppositionsparteien im österreichischen Parlament zu einer gemeinsamen Aktion zusammentun. Immerhin: Die Liberalen leiden unter einem Anti-Haider-Komplex und die Grünen halten den Chef der Freiheitlichen gerichtlich abgesegnet für den "Ziehvater des rechtsextremen Terrors". Jetzt haben die drei beschlossen, alle Ausschüsse, in denen ihre Parteivertreter mitarbeiten, zu boykottieren.

Der Grund dafür ist freilich massiv. Die zwei herrschenden Parteien der Großen Koalition, Sozialdemokraten und Volkspartei, verweigern einen von der Opposition geforderten Untersuchungsausschuß bezüglich der Kurdenmorde. In der Tat liegt der Verdacht ziemlich nahe, daß die unfeine Affäre, bei der die Täter wohl entkommen konnten, weil die Republik Österreich sich nicht mit dem Iran anlegen wollte, mehr politischen Sprengstoff in sich birgt, als man zugeben will. Denn im Klartext heißt das nichts anderes, als daß die Republik ihr Recht und ihre Pflicht, Mörder zu bestrafen, außer Kraft gesetzt hat, um außenpolitische und wirtschaftliche Kontakte mit Teheran nicht zu gefährden. Die Wiener Morde an Kurdenführern bleiben ungesühnt.
Der Ausschuß-Boykott von Freiheitlichen, Grünen und Liberalen ist die massivste Form des Protests, die sich die Opposition aussuchen kann. Immerhin verweigert man sich nicht den Sitzungen des Parlaments. Man nimmt sich nicht die Chance der Selbstdarstellung, sondern weigert sich zu arbeiten. Denn von den Ausschüssen lebt der Rechtsstaat. Hier wird die eigentliche Arbeit gemacht, hier werden die Gesetzesvorlagen formuliert, ausdiskutiert, beschlußfertig gemacht. Der Rest ist das obligatorische Abstimmen.

Daß der Minderheit der Untersuchungsausschuß verweigert wurde, stimmt sie wahrlich sauer. Denn ein solcher ist die schärfste Waffe, die die Opposition gegen die Regierung auffahren kann. Ein Untersuchungsausschuß ist nicht nur eine Art "Gerichtsverfahren" ohne rechtlich bindendes Urteil, sondern vor allem ein Politikum. Hier erfährt die Macht der Mehrheit die Kontrolle, die sie am nötigsten hat. Es werden die Vergehen, die Fehler der Herrschenden aufgearbeitet. Und genau deswegen blockiert die Große Koalition die oppositionelle Forderung. Es geht hier sehr österreichisch zu. Es zeigt sich, daß dieses Land halt allemal ein Obrigkeitsstaat ist, der schon darauf schaut, daß die Opposition nicht zuviel Macht bekommt. Mit einem Schlagwort nennt man das wohl "Demokratiedefizit".


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen