© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/97  05. Juni 1997

 
 
Bonnität statt Bonität
Kommentar
von Bernd-Thomas Ramb

Nein, die reformwütigen Neurechtschreiber haben das gute, alte Wort Bonität, laut Duden der (einwandfreie) Ruf einer Person oder Firma im Hinblick auf ihre Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, nicht in ihren Änderungseifer einbezogen. Durch die orthographische Nähe zu Bonn würde die Schreibweise mit dem doppelten n auch zu großen Begriffsverzerrungen führen.
Denn Deutschland droht, mit der europäisierenden Verbonnung seiner internationalen Kreditwürdigkeit die erstklassige Bonität zu verlieren. Nach einer internationalen Befragung von 100 weltweit führenden Banken durch den "Institutional Investor" belegte Deutschland im letzten Jahr zusammen mit der Schweiz noch den ersten Platz mit 91,5 Punkten auf der Skala von 0 (höchstes Risiko bei Kreditvergabe) bis 100 (ohne Risiko).

1990 war die Kreditwürdigkeit mit 93,8 Punkten absolut betrachtet etwas höher, wenngleich damals nur der dritte Platz hinter Japan und der Schweiz erzielt wurde. Zu diesem Zeitpunkt existierten aber auch noch die Bonitätswerte der DDR : 57,1 Punkte. Die aktuellen Werte, die das internationale Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der neuen Bundesländer mit beinhalten, bescheinigen eine gute Verkraftung der alten DDR-Kreditwürdigkeit.

Dabei reagieren die internationale Bonitätseinschätzung der Banken auf Änderungen in den beurteilten Staaten seismologisch. Der Absturz Italiens vom 11. (1990: 80,1) auf den 20. Rang (1996: 72,0) und der Niedergang Schwedens vom 10. (1990: 81,3) auf den 17. Rang (1996: 74,3) bieten ebenso beredtes Zeugnis wie der Aufstieg der sogenannten Schwellenländer, allen voran Singapur mit einem Wechsel vom 15. (1990: 77,9) auf den 10. Rang (1996: 82,8). Dabei geraten neben Deutschland auch die anderen EU-europäischen Länder in verschärfte Bonitätskonkurrenz. So hat sogar die Volksrepublik China mit 78,9 Kreditpunkten mittlerweile die Euro-Währungs-Kandidaten Irland (74,4), Schweden, Spanien (73,3), Finnland (72,2) und Italien deutlich hinter sich gelassen und rangiert nahezu gleichauf mit Belgien (79,5).
Die internationale Kreditwürdigkeit hängt nicht allein vom Vertrauen in die Zahlungsbereitschaft der betroffenen Nationalitäten ab. Auch die Währung, in der die Kredite erwirtschaftet werden sollen, spielt – nicht nur psychologisch – eine Rolle. Die jahrzehntelange Spitzenbonität der Länder Deutschland, Schweiz, Japan und USA wäre schlecht haltbar, wenn es den Währungen dieser Länder an großer Stabilität gemangelt hätte.

Bonn ist nun bereit, die deutsche Bonität zweifach aufs Spiel zu setzen. Mit der geplanten Weich-Euro-Währung wird erstens das Fundament der D-Mark-Kredibilität aufgegeben. Zweitens führt die fortschreitende Totalisierung des EU-Binnenmarktes zu einer zunehmenden EU-europäische Vermischung der deutschen Bonität mit der irischen bis italienischen.
Auch im Bereich der Kreditwürdigkeit wiederholt sich die fatale Konsequenz der Bonner Maastricht-Politik: "Harmonisierende" Gleichmacherei unter deutschem Niveau – also doch, künftig Bonnität statt Bonität.


 
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