© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/97  05. Juni 1997

 
 
Parlamentswahlen in Frankreich: Rotgrüne profitieren von der grassierenden Uneinigkeit im Öko-Lager
Buhlen um die Gunst der Öko-Wähler
von Michael de Wet

Für Frankreichs Öko-Bewegung läßt sich eine Faustregel aufstellen: die Zahl ihrer Listen wird von Wahl zu Wahl zahlreicher. Bei den jüngsten Parlamentswahlen traten gleich vier landesweit kandidierende sowie etliche lokal begrenzte grüne Listen an – die genaue Zahl läßt sich nicht ermitteln, da es neben den "großen" Umweltparteien auch zahlreiche Listenverbindungen, insbesondere mit Regionalisten und der sozialistischen Partei sowie "pseudoökologische Listen" gab. Mehr als 1.200 Kandidaten wetteiferten im grünen Lager um die Gunst der französischen Wähler. Um reale Chancen auf ein Mandat ging es dabei den wenigsten – schließlich ist der erste Wahlgang, in dem es noch nicht um die Vergabe des durch Mehrheitswahlrecht zu bestimmenden Direktmandates geht, der eigentliche Gradmesser dafür, wie stark die Anhängerschaft für eine Partei wirklich ist.

Am 25. Mai wurden insgesamt 6,9 Prozent für Frankreichs grüne und ökologische Parteien abgegeben. Die Grünen ("Le Verts"), die diesmal dem Linkskartell zugerechnet wurden, holten sich davon mit 3,59 Prozent das größte Stück des Kuchens. Es waren auch allein Kandidaten von "Les Verts", die in den zweiten Wahlgang gelangten, und auch das nur, weil sie sich zu Wahlbündnissen mit den Sozialisten zusammengeschlossen hatten. Dies sei "ein historisches Ereignis", wertete Jean-Luc Bennahamias, Parteisekretär von "Les Verts", dieses Bündnis zur taktischen Überwindung jener Hürden, die auch weit größere Parteien ohne Bündnisse mit den Mehrheitsparteien nicht zu nehmen vermögen. In 29 Wahlkreisen gingen so – von der Linken unterstützt – grüne Kandidaten in die entscheidende Stichwahl, darunter auch die grüne Parteiführerin Dominque Voynet und Noèl Mamère, Präsident der links-grünen Bewegung "Convergence Écologie Solidarité". Für sieben grüne Abgeordnete, unter ihnen Dominque Voynet, reichte am 1. Juni die Stimmenzahl für den Einzug ins Parlament. Eine Beteiligung an der künftigen Linksregierung ist wahrscheinlich.

Unter den Ökologen, die sich nicht auf eine Bindung an den Linksblock festlegen wollten, dominierten die "Generation Écologie" des einstigen Umweltministers Brice Lalonde mit 1,74 Prozent und die Unabhängigen Ökologisten ("Mouvement Écologistes Independants") um Antoine Waechter, die auf 0.74 Prozent kamen. Mehr noch als die Grünen wurden die französischen Unabhängigen Ökologen von den kurzfristig anberaumten Neuwahlen überrascht, da sich diese 1994 als konservative Abspaltung von den Grünen gegründete Partei noch in der Aufbauphase befindet. Das "Mouvement Écologistes Indépendants" (MEI) um den früheren grünen Präsidentschaftskandidaten Antoine Waechter schickte insgesamt 198 eigene Kandidaten ins Rennen. Im Elsaß, der Hochburg der bürgerlichen Ökologen, lag das MEI in etlichen Kreisen, wo es zu Konkurrenzkandidaturen zwischen den drei grünen Parteien kam, sogar gelegentlich vor "Les Verts", die ansonsten die Dominanz im grünen Terrain behaupteten. In Paris gelang es dem MEI, die "Generation Écologie" in der grünen Wählergunst zu übertrupfen. Antoine Waechter selbst errang mit 7,8 Prozent im elsässischen Altkirch-Thann das beste Ergebnis für seine Partei, denen Anhänger wegen ihres betont jenseits des Rechts-Links-Schemas orientierten politischen Kurses in Frankreich freundlich-ironisch als "Ni-nis" ("ni droite, ni gauche" – weder rechts noch links) tituliert werden. Für die Qualifikation zum zweiten Wahlgang reichte dieses Resultat freilich nicht, denn nur Kandidaten, die im ersten Wahlgang mindestens 12,5 Prozent erreichten, haben diese Berechtigung.

Im links-alternativen Spektrum warb neben "Les Verts" noch die "Alliance Rouge et Verte", für die sich 0,29 Prozent der Wähler entschieden. Zahlenmäßig unbedeutend auch die "Nouveau Écologistes" oder "Écologie Citoyenne", für die u.a. Karl Goschescheck, Schriftleiter des elsässisch-autonomistischen Magazins Rot un wiss, in Illkirch-Grafenstaaden antrat und 3,7 Prozent für sich verbuchte.


 
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