© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/97  05. Juni 1997

 
 
Zum zehnten Todestag von Wilhelm Petersen
Der Maler des Nordens
von Frank Lisson

Der Maler Wilhelm Petersen gehört zweifellos zu den großen deutschen Künstlern des 20. Jahrhunderts, dennoch ist sein Name heute nur noch wenigen vertraut.
Am 10. August 1900 in Elmshorn als Sohn eines Schusters geboren, übten die herbe Landschaft und der bäuerliche Charakter seiner Dithmarscher Heimat früh einen prägenden Eindruck auf ihn aus. Als er sechzehn ist, ermöglicht ihm die Mutter den Besuch der Hamburger Kunstgewerbeschule. Zur selben Zeit knüpft er Kontakt zur Jugendbewegung. Während des Krieges schließt er seine Ausbildung zum Malergesellen durch Notprüfung ab, um sich freiweillig zur Front zu melden. Wie viele junge Künstler seiner Zeit, sucht Petersen das Kriegserlebnis. Das Kriegsende kommt aber seinem Einsatz zuvor.

Nach einem Freikorpsabenteuer schlägt er sich vorübergehend als Restaurator durch. Er beginnt, sich in verschiedenen Techniken und Materialien zu üben, zeichnet und malt mit Bleistift, Kreide, Kohle, Pastell, Öl und Aquarell, versucht sich aber auch im Holzschnitt. Schon zu dieser Zeit stellen die Bilder vorwiegend die holsteinischen Bräuche, die Trachten und das Leben der Bauern und Seeleute dar. Verschiedene Einflüsse vereint er bald zu einem eigenen Stil. Er steht deutlich im Erbe des Jugendstils, ferner ist der Einfluß Philipp Otto Runges und Pieter Breughels unverkennbar.
Anfang der dreißiger Jahre widmet er sich der Kinderbuchillustration, womit er auch nach dem Krieg seine Existenz sichern wird. Obwohl zeitlebens ein unpolitischer Mensch, tritt er 1933 durch Vermittlung eines Verwandten der NSDAP bei, die ihn bald für sich entdeckt. Seine Bilder über die germanische Frühzeit, die die Altgermanen mit größtmöglicher Genauigkeit abzubilden versuchen, finden breiten Anklang. Von nun an wird Petersen mit zahlreichen staatlichen Aufträgen bedacht. Durch eine große Wanderausstellung 1936/37 erlangt er schließlich Berühmtheit. Dennoch bleibt er dem Wesen seiner Heimat treu. Mit dem 1937 veröffentlichten Buch "Ut de Ooken" (plattdeutsch: "Aus dem Winkel unterm Dach"), das 1975 sogar noch einmal aufgelegt wurde, kehrt Petersen in die Welt seiner Kindheit zurück. Es enthält märchenhafte Zeichnungen und Illustrationen, die verschiedene Abenteuer von Puck Krayenfoot, einer schleswig-holsteinischen Sagenfigur, darstellen. In der Hauptsache aber sucht Petersen die "Seele des Nordens" in Gestalt der Menschen und Landschaften seiner Heimat zu versinnbildlichen. Dabei gelang es ihm wie kaum einen anderen, eine Mischung aus Zartheit und Härte in unverwechselbarem Stil zum Ausdruck zu bringen. Als Kriegsmaler schuf er die Zyklen "Totentanz" und "Ich male den Tod", in denen er schonungslos das Antlitz des Krieges zeichnet.

Nach dem Krieg wird Petersen auf eine Anzeige hin verhaftet und fünf Monate lang im von den Engländern übernommenen KZ Neuengamme interniert. Danach spezialisiert er sich wieder auf die Illustration von Kinder- und Jugendbüchern. Ausstellungen kommen nur noch wenige zustande. Die meisten seiner Werke befinden sich in Privatbesitz. Am 22. Mai 1987 stirbt Petersen, fast erblindet, in Elmshorn.


 
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