© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/97 05. Juni 1997 |
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Frankreich: Sieg der Linkskoalition, obwohl Mehrheit der Bevölkerung rechts steht "Die dümmste Rechte der Welt" von Robert Schwarz Der Sozialist Lionel Jospin wird neuer Premierminister Frankreichs. Er stützt sich auf ein Volksfront-Bündnis, das sich selbst "pluralistische Linke" nennt und aus Sozialisten, Kommunisten, den linken Maastricht-Gegner Chevènements, Linksliberalen sowie den linksorientierten Grünen (Les Verts) zusammensetzt und das unterschiedlicher nicht sein könnte. Allein die völlig entgegengesetzten Haltungen zum "Euro" zeigen, daß es sich hier nur um eine Zweckallianz handelt, angelegt, um die bürgerliche Rechte an den Wahlurnen zu schlagen. Daß selbst die Grünen für das Linsengericht einiger Abgeordnetenmandate in der Pariser Nationalversammlung mit der Sozialistischen Partei gemeinsame Sache machen, obwohl diese die Verantwortung für das versenkte Greenpeace-Schiff trägt, sei nur am Rande erwähnt. Die Linke stellt also die
Regierung, doch die Mehrzahl der Franzosen steht weiterhin rechts. Jospin genießt
jedenfalls nicht das Vertrauen der Mehrheit des Volkes. Weder im ersten noch im zweiten
Wahlgang konnten die Linksparteien eine absolute Mehrheit für sich verbuchen. Lediglich
48,36 Prozent schenkten ihnen in der Stichwahl ihr Vertrauen, gegenüber 46,04 Prozent
für RPR und UDF und immerhin noch 5,6 Prozent für den rechtsnationalen Front National
(FN). Nun mehren sich die Anzeichen dafür, daß endlich Bewegung in das erstarrte Verhältnis der rechten Parteien zueinander kommt. Viele Kandidaten von UDF und RPR hatten bereits letzte Woche um Unterstützung des FN nachgesucht; nachdem mit Juppé und Chirac die beiden Hauptgegner einer solchen Annäherung politisch kräftig lädiert sind, dürften wichtige Hindernisse beiseite geräumt sein. Innerhalb der bürgerlichen Parteien gärt es. Eine Vielzahl strammer und orthodoxer Parteisoldaten des neo-gaullistischen RPR sahen sich nach dem Urnengang ihres Abgeordnetenmandats beraubt, darunter u. a. Generalsekratär Mancel und Wahlkampfleiter Stefanini. Andererseits zogen Persönlichkeiten, die bereits vor einiger Zeit auf Distanz zu UDF und RPR gegangen waren, wieder in die Nationalversammlung ein: Philippe de Villiers, der der Regierung vorwarf, daß sie keine wirklich rechte Politik betreibe, und der den Verlust von Moral und Ehrenhaftigkeit vieler seiner Kollegen anprangerte, wurde in seiner Hochburg Vendée mit über 68 Prozent wiedergewählt. Maastricht-Gegner de Villiers und dessen neues Parteienbündnis "Unabhängige Rechte" waren durch die überraschende Ansetzung der Neuwahlen allerdings organisatorisch überrollt worden, sonst wäre das Ergebnis von drei Prozent im ersten Wahlgang nicht so vergleichsweise mager ausgefallen. Der etwas steif wirkende de Villiers hat zwar nicht die rhetorische Begabung eines Jean-Marie Le Pen, doch er kann Stimmen in jenen bürgerlichen Kreisen sammeln, die von RPR und UDF enttäuscht sind, jedoch den Schritt zu dem als "Schmuddelkind" stigmatisierten Front National nicht wagen. So wird die Stunde der "Unabhängigen Rechten" noch kommen, zumal sie geradezu prädestiniert scheint für die entscheidende Rolle eines Bindegliedes zwischen den bürgerlichen Parteien und dem Front National. Außerdem bleibt abzuwarten, welche politische Dynamik etwa ein UDF-Politiker wie der wiedergewählte Alain Madelin entfalten kann, der schon ankündigte, sich zukünftig seine Freiheiten herauszunehmen. Mit dem Denkzirkel "Idées-Action" hat sich Madelin bereits eine landesweite Organisation geschaffen und dachte vor den Wahlen ernsthaft darüber nach, diese in eine Partei umzuwandeln. Daß die politische Landschaft der französischen Rechten sich nach diesem Urnengang grundlegend verändert hat, wird sich spätestens 1998 bei den nächsten Regionalwahlen erweisen, die nach dem Verhältniswahlrecht stattfinden. Gemessen an den jetzigen Ergebnissen könnte der Front National dann erstmals in einigen Regionen zur stärksten politischen Kraft aufsteigen. Man muß auch kein Hellseher sein, um vorherzusagen, daß bestimmte Ereignisse und Entwicklungen bis dahin diesen Trend sogar noch verstärken werden. Denn die Sozialisten können und werden es nicht schaffen, innerhalb eines Jahres die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken. In der Ausländer-, Innen- und Wirtschaftspolitik wird die Linke, möglicherweise mit kommunistischer Regierungsbeteiligung, ideologisch bedingt die gleichen Fehler begehen wie nach dem Machtantritt Mitterrands, was letztlich allein der nationalen Rechten nützt. Die bürgerlichen Parteien, allen voran der RPR, werden wohl schon bald mit aller Macht von Skandalen eingeholt, die in den vergangenen Monaten nur mehr mühsam unterm Deckel gehalten werden konnten. Ein linker Justizminister hat natürlich kein Interesse, weiter seine schützende Hand über bestimmte Vorfälle zu halten, wie das sein nun nicht einmal mehr ins Parlament wiedergewählter Vorgänger Toubon praktizierte. Einige politische Beobachter, wie beispielsweise der bekannte Politik-wissenschaftler Pascal Perrineau, halten eine "Neuformierung der Rechten nach italienischem Muster nicht mehr für ausgeschlossen". In Italien ist es ja bekanntlich zu einer totalen Erosion des altbekannten Parteienspektrums und zur Bildung einer neuen kräftigen Rechten aus der Forza Italia von Silvio Berlusconi und dem MSI-Nachfolger Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini gekommen. |