© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/97  05. Juni 1997

 
 
Südafrika: Ex-Verteidigungschef Malan und Ex-Präsident De Klerk rechnen mit "Wahrheitskommission" ab
Vergangenheitbewältigung à la ANC
von Stephan Maninger

Die von Bischof Desmond Tutu geleitete "Wahrheitskommission" verursachte im Mai erneut heftige Turbulenzen in der südafrikanischen Innenpolitik.
Zuerst sorgte am 8. Mai der frühere Verteidigungsminister Magnus Malan für Schlagzeilen, als er überraschend vor der umstrittenen Kommission zur Aufarbeitung der Apartheids-Ära erschien. Zuvor hatte es Malan, ebenso wie andere hochrangige Ex-Armeeoffiziere, stets abgelehnt, dem als "Inquisitionsinstrument" bezeichneten Gremium Frage und Antwort zu stehen. Doch der Ex-Minister erschien weniger zum "Beichten", wie Beobachter berichteten, sondern beschuldigte seinerseits den African National Congress (ANC), einen "Terrorfeldzug" gegen die südafrikanische Armee und Teile der Bevölkerung geführt zu haben. Allein zwischen September 1984 und Dezember 1989 seien dabei 406 Menschen durch ANC-Sympathisanten öffentlich mit der sogenannten "Halsschnur-Methode" (Gummireifen, die um den Hals gelegt und angezündet wurden) umgebracht worden. Weitere rund 10.000 Personen seien durch die Untergrundkämpfer auf andere Weise ums Leben gekommen, während etwa 18.000 Verletzungen erlitten. Allein im Jahr 1990 wurden von ANC-Aktivisten 308 Schulen in Brand gesetzt. Das Militär hätte unter seinem Kommando als "Schild der Bevölkerung" agieren müssen, erklärte Malan. Es sollte auch nicht ganz vergessen werden, fügte er abschließend hinzu, daß der ANC damals massive Unterstützung vom kommunistischen Ostblock erhalten habe.

Noch spektakulärer war dann jedoch die Erklärung, die ausgerechnet Ex-Präsident Frederick De Klerk, der mit seinem Reformprogramm die Machtübergabe an den ANC eingeleitet hatte, am 15. Mai abgab. Wenige Tage zuvor war die Frist für Anträge an die Wahrheitskommission abgelaufen. Im eigenen Namen und für die von ihm geführte Nationale Partei (NP) sagte De Klerk, daß man fortan mit dieser Kommission nichts mehr zu tun haben wolle. De Klerk zog damit die Konsequenzen aus seinem vorherigen zweiten Auftritt vor dem Gremium, wobei er es entschieden bestritten hatte, von illegalen Aktionen der Sicherheitskräfte gegen den ANC gewußt zu haben. Nach hitzigen Wortgefechten und einem Wutausbruch Tutus sieht der Amtsvorgänger Mandelas nun für die Wahrheitskommission die letzte Chance vertan, sich als objektives, tatsächlich an der Wahrheit orientiertes Gremium zu erweisen.

Anschließend hagelte es von seiten der jetzigen südafrikanischen Regierung Beleidigungen gegen de Klerk, die von "verächtlicher Feigling" bis "Südafrikas Hitler" reichten. Minister Steve Tshwete’s setzte gar die Zeit der Apartheid mit dem Holocaust der Juden gleich. Wenige Tage später mußte Frederick De Klerk obendrein mit dem Rücktritt und Parteiaustritt des NP-"Kronprinzen" Roelf Meyer einen schweren Schlag einstecken.

Nicht nur Weiße sind in Südafrika unzufrieden mit der Wahrheitskommission, und es sind auch längst nicht nur Schwarze, die Licht in bestimmte Kapitel der Vergangenheit bringen möchten. Der Vorwurf der Einseitigkeit an die Adresse Tutus kommt auch von der überwiegend von Zulus unterstützten Inkatha Freiheitspartei (IFP). Noch immer sind die Hintergründe von 400 Morden an IFP-Amtsträgern nicht aufgeklärt, die vermutlich durch den militärischen Flügel des ANC, "Umkhonto we Sizwe", liquidiert wurden. Inkatha-Vorsitzender Buthelezi hatte im März einen allgemeinen Amnestievorschlag des ANC für die Provinz KwaZulu-Natal ausdrücklich abgelehnt. In der IFP-Hochburg hatte es über viele Jahre teilweise brutale Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien gegeben. Ebenso wie der burische Bevölkerungsanteil wehrt sich die Inkatha Freiheitspartei entschieden gegen die totale Inbesitznahme der politischen Macht in Südafrika durch die ANC-Regierung sowie gegen deren Bestreben, die Deutung der Vergangenheit zu monopolisieren. Erklärungen wie jene der ANC-Führung vor der Wahrheitskommission am 15. Mai, in der die Partei zugab, selbst für eine Reihe von Gewalttaten (Morden, Autobomben, Landminen) verantwortlich zu sein, sind bislang bloße Lippenbekenntnisse geblieben.
Kallie Kriel, der 26jährige Vorsitzende der Afrikaaner Studentenverbindung, betonte: "Man möchte uns gerne mit Schuldgefühlen belasten. Nur wird dies schwierig sein, da unsere eigene Leidensgeschichte als Buren uns schon in englischen Konzentrationslagern gesehen hat, wo 20 Prozent unserer gesamten Bevölkerung sang- und klanglos starben, und wir noch heute auf Wiedergutmachung warten."


 
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