© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/97  23. Mai 1997

 
 
Zeitschriftenkritik: "Kulturpolitische Korrespondenz"
Archäologie und Zukunft
von Margitta Erkens

Das zehntäglich erscheinende Organ der Stiftung "Ostdeutscher Kulturrat", die Kulturpolitische Korrespondenz (KK), gibt zu besonderen Anlässen Sonderdienste heraus. Die beiden letzten galten den Themen "Schicksalsjahr 1945/46. Die Vertreibung ein fortwährendes Unrecht" (KK 64/96) und "Gegenwart lebt von der Vergangenheit" (KK 65/97); letzterer enthält die mit Preisen geehrten Beiträge des 23. Erzählwettbewerbs.

Das Sonderheft zum Thema Vertreibung hat das Zeug zum handlichen Standardwerk. In inhaltsreichen und dabei übersichtlichen, flüssig geschriebenen Artikeln werden eine Fülle von Aspekten behandelt. Die betroffenen Gebiete und ihre alte Bevölkerung werden von ausgewiesenen Fachleuten wie Peter Mast, Fritz Peter Habel und Wilfried Schlau vorgestellt. Der amerikanische Völkerrechtler Alfred M. de Zayas untersucht den Zusammenhang von UNO, Heimatrecht und der Vertriebenencharta von 1950 und kommt zum Ergebnis, daß die Vertriebenen gerade durch ihr Beharren und ihren Nichtverzicht auf Heimatliebe der Welt einen großen Dienst erwiesen hätten. Andernfalls wäre ein unheilvolles Beispiel und ein gefährlicher Präzedenzfall entstanden, nämlich, daß das Recht auf Heimat entbehrlich" sei. Ansgar Graw schreibt über "Die Vertriebenen in den Medien – Die Vertriebenen und ihre Medien". Bis heute erscheinen ihre Zeitungen jährlich in mehreren 100.000 Exemplaren. Ihr Einfluß ging seit den 60er Jahren allerdings kontinuierlich zurück, die heutige Resonanz schätzt Graw "gering" ein, was nicht zuletzt mit den Orientierungsschwierigkeiten zusammenhängt, in die die Vertriebenenorganisationen mit dem seit 1989/90 entstandenen Vertragswerk geraten sind. Ebenso hat sich die "bewußte Distanz" der etablierten Medien seit den sechziger Jahren ständig verstärkt. Der Senator im polnischen Sejm, Professor Gerhard Bartodziej aus dem oberschlesischen Oppeln, berichtet über die Situation der deutschen Minderheit im heutigen Polen. Die Aussiedler sind für ihn die "Nachhut der Vertriebenen". Der Vorsitzende der Schlesischen Landsmannschaft, Herbert Hupka, nennt drei Säulen der aktuellen ostdeutschen Kulturarbeit: Das "archäologische Beginnen", das heißt die Bewahrung und Sichtung des Erbes; das Fortschreiben, wobei die materielle Unterstützung durch den Staat unverzichtbar ist; drittens die neuen Chancen, die sich aus der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Richtung Osten gegeben.

Der Sonderdienst zum Erzählwettbewerb besteht aus den Beiträgen von vier Autoren, die zumeist Besuche in den alten Ostgebieten zum Thema haben, sowie dem Vorwort des Redakteurs Georg Aescht, der betont, der Kulturrat wolle mit seiner Ausschreibung keine Richtung festlegen, sondern einen Ansatz liefern. Im Rezensionsexemplar befinden sich leider weiße Seiten, die den Beitrag des 2. Preisträgers, Ludwig Roman Fleischer unverständlich machen.

"Kulturpolitsche Korrespondenz", Sonderdienst 64/96, "Das Schicksalsjahr 1946/47"; Sonderdienst 65/97 "Gegenart lebt aus der Vergangenheit". Bestellung über: Stiftung "Ostdeutscher Kulturrat", 53113 Bonn, Kaiserstraße 113. Preis: 15 DM


 
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