© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/97  23. Mai 1997

 
 
Kongo: Eindämmungsstrategie gegen den Sudan und das Fiasko der Pariser Diplomatie
Afrikanische Spiele im Pentagon
von Alain de Benoist

Der Sturz Mobutus nach 32jähriger Herrschaft in Zaire ist ein weltpolitisches Ereignis ersten Ranges und zugleich eines der größten Fiaskos der französischen Diplomatie in den letzten Jahren. Aufschlußreich ist die Art und Weise, wie Paris von den Verhandlungen über die Regelung des Konflikts ausgeschlossen wurde. Dies sowohl von den Anhängern Laurent-Désiré Kabilas, des neuen starken Mannes im Kongo, als auch von dessen amerikanischen Paten, vertreten durch den Botschafter der Vereinigten Staaten bei der UNO, Bill Richardson. Der Grund hierfür ist einfach: Paris bezahlt nun für zehn Jahre schlechter Politik in Zentralafrika und speziell im Gebiet der Großen Seen.

Diese schlechte Politik bestand im wesentlichen darin, die Hutu-Rebellion aktiv unterstützt zu haben. Alles nahm seinen Anfang mit der Autonomie Ruandas und dem Versuch französischer Truppen, das dortige Hutu-Regime zu retten. Die dem Präsidenten Habyarimana und dessen Hutu-Familienclan im Norden des Landes damals von Mitterrand geleistete Hilfe trug letztlich zum Völkermord an den Tutsis durch extremistische Hutus im Jahr 1994 bei. Außerdem hat Paris, sowohl unter Mitterrand als auch unter Chirac, stets das Regime Mobutus gestützt, der seinerseits den Hutus zur Seite stand. Frankreich manövrierte sich in eine Po-sition hinein, die es als Mittäter von Völ-kermord und Korruption erscheinen ließ und in der Region diskreditierte.

Im Gegensatz dazu haben die Amerikaner verstanden, daß die Tutsis, obgleich in der Minderheit, das traditionell dominierende Element verkörpern, der einzige Faktor jedenfalls, der es möglich macht, eine umfassende ethnisch-staatliche Restitution in diesem Raum Zentralafrikas zu erreichen. Während die führenden französischen Politiker mit der "Opération Turquoise" versuchten, die flüchtende Hutu-Armee zu retten, förderte Washington die Tutsis, die – im wesentlichen von Uganda aus – die Verantwortlichen für den Genozid von 1994 aus Ruanda verjagten. Obgleich die USA einst Mobutu für die eigenen Interessen eingespannt und ihn im November 1965 an die Macht gebracht haben (Zaire war damals eine Rückzugsbasis der UNITA, die die Kubaner in Angola bekämpfte) – gegen den Wunsch von General de Gaulle übrigens – ließen sie ihn zu Beginn der 90er Jahre fallen. Ohne zu zögern, unterstützten sie politisch, finanziell und zweifellos auch militärisch die Offensive Kabilas. Heute befindet sich faktisch die gesamte Tutsi-Bevölkerung von Uganda bis Burundi im Krieg gegen Zaire und die Hutus, die dorthin geflüchtet sind. Kabilas Armee ist zusammengesetzt aus Tutsis verschiedener Staatsangehörigkeiten, und Kabila selbst ist im Oktober letzten Jahres als Kopf der Offensive der Tutsis aus Ruanda gegen die Hutu-Flüchtlingslager im Osten von Zaire ins Rampenlicht der internationalen Medien getreten. Über 18 Monate war seine Offensive sorgfältig geplant worden, mit der Unterstützung von Uganda und Ruanda. Deren Präsidenten, der ultraliberale Yoweri Museveni und sein Jünger Paul Kagamé, sind heute die verläßlichsten Verbündeten Washingtons in Afrika.

Man versteht vor dem Hintergrund all dieser Umstände, warum die von Frankreich im letzten Dezember vorgeschlagene humanitäre Intervention in Zaire von den Vereinigten Staaten abgelehnt worden ist: Paris wurde verdächtigt, eine Rettungsaktion für das Mobutu-Regime organisieren zu wollen, wohingegen die Amerikaner wollten, daß Kabila freie Hand für seine Operationen hat. Seit dem Ende des Kalten Krieges versucht Washington ganz allgemein, den Einfluß Frankreichs in Afrika zu verringern. Um das zu erreichen, zögert man auch nicht, sich mit Führern früherer kommunistischer "Befreiungsbewegungen" zu verbünden, die heute mehr oder weniger mit dem Marxismus gebrochen haben. Einer der typischsten Vertreter dieser Politiker ist Laurent-Désiré Kabila, der ideologisch vor kurzer Zeit noch ganz in der Nähe von Patrice Lumumba einzuordnen war (den die CIA im Januar 1961 ermorden ließ) und in der Ex-DDR geschult wurde.

Es gibt sicherlich auch ökonomische Motive. "Die Vereingten Staaten können es sich nicht erlauben, einen noch unerschlossenen Markt von mehr als 600 Millionen Einwohnern zu vernachlässigen", betonte vor kurzem Charlene Barschewski, zuständig für Handelsfragen in der Administration Clinton. Seit dem 9. Mai sind in Lubumbaschi etwa 30 amerikanische Geschäftsleute und Bankiers angekommen, mit Scheckbüchern in der Hand, um mit den Leuten Kabilas Vereinbarungen zu unterzeichnen. Einige Tage zuvor hatte Kabila bereits einen fabelhaften, auf eine Milliarde Dollar dotierten Vertrag mit der Firma "America Mineral Fields" unterschrieben, bei dem es um die Ausbeutung der Bodenschätze Zaires geht (Kupfer, Zink und Kobalt). Der Sitz dieser Firma befindet sich in Hope im US-Bundesstaat Arkansas, der Geburtsstadt Bill Clintons. – Dies hat durchaus symbolischen Charakter!

Hinzu kommen strategische Ziele, deren wichtigstes die Isolierung und Destabilisierung des Sudan ist. Im Laufe der vergangenen Jahre haben die Amerikaner nicht aufgehört, von Uganda, Eritrea und Äthiopien aus den Krieg gegen das islamische Regime von Khartum zu finanzieren. Der gleichen Logik folgten sie mit der Unterstützung der von Verbänden aus Uganda und Ruanda begonnenen Offensive gegen Mobutu, eines Verbündeten des Sudan. Aber der Sturz von Mobutu ist zweifellos nur der Anfang. Der Kongo, Gabun, die Zentralafrikanische

Republik und Kamerun, alles Kleinodien des frankophonen afrikanischen Besitzstandes, laufen ebenfalls Gefahr, sich bald im Auge des Zyklon zu befinden. Was den Staat Zaire bzw. Kongo betrifft, so könnte dieser – als eine rein künstliche Schöpfung des Kolonialzeitalters – schon bald gänzlich zerfallen. Der Einsatz bei diesem gigantischen geopolitischen Spiel ist das riesige Kongobecken und das Entstehen einer außerhalb jeglichen französischen Einflusses liegenden politischen Achse, die von Eritrea bis Angola reicht. Die Tutsis stehen im Begriff, wieder zur entscheidende Kraft in der gesamten Region zu werden, wie es schon vor der Kolonisation der Fall gewesen ist. Damit wäre dann endgültig das Ende einer historischen Epoche gekommen, während zur gleichen Zeit eine neue geopolitische Konstruktion unter dem Hirtenstab der Amerikaner entworfen wird. – Das einzige Problem ist, daß Laurent-Désiré Kabila sich binnen kurzer Zeit als unkontrollierbar erweisen könnte. Die Vereinigten Staaten hätten in diesem Fall ein weiteres Mal den Zauberlehrling gespielt.


 
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