© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Burgtheater: Bachler der Milde als Nachfolger von Peymann
Klaus II. an die Burg!
von Walter Marinovic

In verhunzter Regie spielt die Volksoper Mozarts "Titus der Milde". Eine raffinierte Regie machte Volksoperndirektor Bachler, einen angeblich "Milden", zum Nachfolger Peymanns. Am 13. April lud er das Publikum zu einem Gespräch. Knappe hundert kamen, angereichert durch geschickt im Saal verteilte Claqueure. Schade, daß nur wenige dieses Theater erlebten!

Ort der Handlung: Probebühne der Volksoper. Hauptdarsteller Klaus II. Bachler der "Milde". Stichworteinflüsterer: Peter Dusek ("Freunde der Winer Staatsoper"). Lauschender Chor: Tatsächliche Opernfreunde, meist älteren Semesters, vorwiegend weiblich. Nicht von der Regie vorgesehen: Flugblattverteiler beim Eingang: "Peymann geht! Endlich! Wir wollen aber keinen Klaus II.!" Sie fordern, den Burgtheaterdirektor nicht hintenherum, sondern demokratisch zu bestellen. Sorgen furchen die Geschichter von Dusek & Co. Streng mustert ein Theaterfeuerwehrmann die Flugblätter. Schade, sie haben ein Impressum. Verbieten kann man da eigentlich nicht…

Klaus II. tritt auf, Hand in der Hosentasche, mildes Lächeln auf den Lippen. Dünner Applaus der Claqueure. Dusek legt ihm die erste Frage auf: Ob er Klaus heißt? Ja, schon, aber schon immer… Dusek überlegt: Vielleicht hat das Flugblatt Klaus Löwitsch gemeint? Oder gar den Klaus Maria, den Brandauer? Sagt es aber nicht, denn Bachler lächelt mild: Burgtheater ist zwar "Causa prima", aber gerade davon will er heute nicht reden. Sagt er zumindest. Und muß schließlich doch. Aber davon erst später… Zuerst – warum eigentlich? – erzählt der künftige Peymann aus seinem Leben: Kein Deutscher, nein, Österreicher! Mischung also aus Böhmen und Ungarn. In Hamburg zwar galt er als preußisch. Und ein Achtundsechziger ist er ja auch: Rebellisch, aufmüpfig, aber eigentlich mild. Erste Theaterversuche? Mit sechzehn Jahren bereits in "Nathan der Weise". In Judenburg: Was ihn in gewissem Sinne empfiehlt… Daß er als Festwochenintendant rechte Hand der linken Ursel Pasterk war, streift er nur mild im Nebensatz. Plauscht dann wortreich von Visionen und Frustrationen und schläfert das teilweise nicht mehr ganz junge Publikum ein. Wer hat jetzt noch Fragen? Eine Dame hat: Warum kann man bei manchen Produktionen von manchen Plätzen nichts sehen? Warum singen die Sänger im "Land des Lächelns" so weit hinten, daß man nichts hört? Muß sich nicht der Direktor auf der Probe um so etwas kümmern? Bachler lächelt immer noch mild: Mancher hört, der andere nicht; macher sieht, der andere nicht. Wer kann es allen recht machen? Und vor allem: "Ich frage nicht, was gefällt dem Publikum, und mache es dann. Ich mache es, und sehe dann, ob es gefällt." Geheimer Einwand: Wenn es aber nicht gefällt? Aber niemand spricht den aufmüpfigen Satz aus.

Furioses Finale. Lustlos plätschert es weiter. Dusek blickt auf die Uhr. Der ORF, der mitschneidet, braucht noch ein paar Minuten. Zum Glück zeigt da einer noch auf, älterer Herr. Bitte sehr, bitte! Auch er beginnt mild und fragt Bachler den Milden, ab wann er eigentlich Wiener Festwochenintendant war. – 1991. – Also 1993 schon verantwortlich? – Ja. – Auch für das sogenannte Tanztheater "Law of Remains"? – Bachlers milder Mund wird dünn: "Sicher!" – "Dann lese ich", sagt der ältere Herr, "etwas vor, aus denSalzburger Nachrichten vom soundsovielten über ’Law of Remains’: ’Es geht um Mord und Totschlag, um Sex und Gewalt, um einen entfesselten Kannibalismus und um die Verherrlichung von alldem in den Massenmedien. Monitore spielen Bilder von Krimis und Prosekturen ein … Hexen in schwarzen Strapsen schweben über die Szene. Der Körper fungiert als Objekt der permanenten Begierde, die Lust, den anderen zu vernichten, ist unbändig und nicht zu stillen. Sex wirkt als Vorstufe zum Mord…’".

Bachlers Claqueure sind unruhig geworden. Sie klatschen nicht, aber sie zischen: "Interessiert uns nicht! Aufhören!" Der ältere Herr stimmt zu: "Auch mir graust es! Daher nur die Frage, Herr Bachler: Werden Sie Ähnliches auch an die Volksoper bringen, oder vielleicht an die Burg?! – Bachlers Milde zerschmilzt wie Märzenschnee in der Sonne: "Law of Remains kommt nicht an die Volksoper." – Der Ältere bohrt aber weiter: "Etwas Ähnliches habe ich gesagt, etwas Ähnliches?" Bachler wird grimmig: "Überhaupt! Der Regisseur der Produktion aus New York war Rezah Abdoh (Aha!) Zwei Jahre später starb er an Aids!" Das Publikum war ergriffen: Wer an Aids stirbt, darf sich vorher alles erlauben? Und bekam vielleicht deswegen Aids? Märtyrer der Homo-Drogen-Szene?

Bevor man noch die Gedanken sich klarmacht, holt der Ältere zum zweiten Schlag aus: "Wenn mit Klaus II. doch Sie, Herr Bachler, gemeint sind, was haben Sie dann gegen ein demokratisches Verfahren zur Bestellung des Burgtheaterdirektors?" – "Unsinn! Wer braucht eine öffentliche Ausschreibung?" – "Und eine öffentliche Anhörung der Kandidaten?" – "Unsinn! Wer soll denn die Öffentlichkeit sein? Vielleicht Sie?" – "Aber eine Kommission unabhängiger Fachleute?" – "Unsinn! Wer ist schon unabhängig?" – "Mitwirkung des Nationalrates bei der Bestellung?" – "Unsinn! Sie kennen nicht die Verfassung! Kunst ist Chefsache! Der Bundeskanzler! Er ist gewählt!" – "Die Verfassung kennen Sie nicht, Herr Bachler! Nicht der Bundeskanzler wird gewählt, sondern der Nationalrat!" – "Wenn Sie die Verfassung ändern wollen, brauchen Sie eine neue Partei!"

Vielleicht hat er mit diesem Vorschlag gar nicht so unrecht, Bachler, der gar nicht so Milde. Man wird ja sehen…


 
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