© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Kulturmafia
Kommentar
von Ernst Fröhlich

Die Existenz einer linken Kulturmafia in Österreich wird von den Predigern kultureller Novitäten in den heimischen Medien seit jeher vehement bestritten. Nichtsdestotrotz kommt es derzeit wieder zu einem wahren Orgasmus kulturpolitischer Freunderlwirtschaft in unserem Lande, denn momentan werden die Romane zweier Autoren verfilmt, die ihr politisches Bekenntnis kaum abstreiten können: Der "Opernball" von Josef Haslinger und "Blutrausch" von SOS-Mitmensch-Aktivisten Dr. Kurt Ostbahn. Während es sich bei Ostbahns Werk nur um eine seichte, wenn auch packend erzählte Kriminalgeschichte handelt, trägt "Opernball" eindeutig ideologische Züge: rechts-klerikale Attentäter, die den Opernball vergasen, Polizisten, die mit rechtsradikalen Jugendlichen zusammenarbeiten, um dem Übermaß linker Demonstranten Herr zu werden und ein Fernseh-Journalist (im Film gespielt von Heiner Lauterbach), der den Wurzeln dieser Verbrechen nachgeht, zumal sein eigener Sohn bei der Fernseh-Live-Übertragung des Opernballes stirbt.

Nicht fürs Fernsehen wie "Opernball", sondern gar fürs Kino spielt sich der Austro-Rocker Willi Resetarits, alias Ostbahn-Kurti selbst in der gleichnamigen Verfilmung seines literarischen Erstlingswerks "Blutrausch". Neben Raimund Harmstorf, der einen deutschen Profikiller mimt, spielt Uschi Obermaier, das Flower-Power-Skandalmädchen der 60er Jahre, die weibliche Hauptrolle neben Ostbahn. Produziert wird der, mit 14 Millionen Schilling budgetierte Streifen von Dor-Film, Regie führt Thomas Roth, Sohn des österreichischen Autors Gerhard Roth, dessen politische Zugehörigkeit ebenfalls als unzweifelhaft angesehen werden kann. Daß auch in diesem Fall keine Kulturmafia am Werke sei, kann man also nicht ohne weiteres behaupten, noch dazu, wo der Bruder des Protagonisten, der Kabarettist Lukas Resetarits den Inhaber vom "Café Ralley" spielt, einem Fixpunkt der Handlung. Nachdem das österreichische Selbstbewußtsein – Kinoproduktionen betreffend – mit Ostbahn Kurtis Debüt wieder zu erstarken scheint und Haslingers "Opernball" über den ORF einen Weg in unsere Wohnzimmer findet, kann sich jeder selbst eine Antwort auf die Frage geben, ob es in diesem Lande tatsächlich keine linke Kulturmafia gibt.

Übrigens: Was bei dem ganzen Trubel um die Wiedergeburt des österreichischen Filmes völlig unterging: Thomas Roth hatte kurz vor Drehbeginn zu "Blutrausch" die Verfilmung des Romans "Der See" (geschrieben von Papa Gerhard) gedreht…


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen