© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Voklsdeutsche: Überlegungen zum Schulvereinstag der Österreichischen Landsmannschaft
Altösterreicher – verraten und vergessen
von Andreas Mölzer

Die Republik ist gegenwärtig außenpolitische aktiver denn je: Der Kanzler darf im Pariser Elysée-Palast kameragerecht Pfötchen geben, der Außenminister wandelt auf Bruno Kreiskys Spuren im Nahen Osten. Und sogar der Altkanzler hat jetzt sein Ausgedinge verlassen, um als "Peacemaker" im Lande der Skipetaren Gutes zu tun. Allerorten also, zwischen Palästina und Paris, österreichische Politiker auf Achse. Im ureigensten und engsten Bereich aber, im historischen und geopolitischen Umfeld, ist Verdrängung und Verschweigen angesagt: In Prag bleibt es dem bundesdeutschen Staatsoberhaupt Roman Herzog vorbehalten, am Hradschin im Namen der Deutschen den Tschechen "zu vergeben" und sie gleichzeitig "um Vergebung zu bitten". Hier wurde mitteleuropäische Nachbarschaftspolitik auf einem Terrain betrieben, das ein halbes Jahrtausend ein österreichisches war. Wien jedoch verhielt sich unauffällig, als gingen uns die Sudetendeutschen nichts an. Man ignorierte, daß diese 1918 nur durch tschechische Gewalt und Siegerwillkür gehindert wurden, Teil der neugegründeten Republik Deutsch-Österreich zu werden.

Die Haltung der Zweiten Republik gegenüber den volksdeutschen Restminderheiten, die in den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie leben, ist mehr als ambivalent. Eine aktive Schutzmachtrolle nahm man bloß gegenüber den Südtirolern ein: Von Karl Gruber bis Alois Mock, den Südtirolern gegenüber fühlte sich das "Vaterland Österreich" verpflichtet. Den Sudetendeutschen gegenüber, den Ungarn-Deutschen, den Siebenbürger Sachsen, den Banater Schwaben, den restlichen Jugoslawien-Deutschen gegenüber trug man keine Verantwortung. Diese überließ man Bonn; sollten doch die "Piefke" die Konkurslast der deutschen Tragödie tragen.

Wenn da private Vereinigungen, wie etwa die "Österreichische Landsmannschaft", die Nachfolge-Organisation des "Deutschen Schulvereins", ohne staatliche Hilfe für diese Alt-Österreicher tätig wurden, ist der Dank dafür die Diffamierung als Rechtsextremisten. Daß dieser "Deutsche Schulverein" auch von den Gründervätern der Sozialdemokratie, von Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer massiv unterstützt wurde, tut nichts zur Sache. "Ewiggestrige Deutschtümler" verdienen die Faschismuskeule, was sonst?

Wenn also die Österreichische Landsmannschaft dieser Tage ihren "Schulvereinstag" begeht, und dort einer der bedeutendsten deutschen Verleger den Festvortrag zur Sudetendeutschen-Frage hält, werden wohl wieder die Großinquisitoren aus dem Dokumentationsarchiv tätig werden. Registrieren müßten sie dann allerdings auch, daß es immer wieder auch offizielle Vertreter der Republik gibt, die sich in den Tabubereich der volksdeutschen Alt-Österreicher vorwagen: So hat jüngst der Kärntner Landeshauptmann einen Besuch in der slowenischen Gottschee gemacht, wo er den Resten der dort ansässigen Deutschen Hilfe aus Kärnten versprach. Und Alois Mock war es, der als Außenminister, Alt-Österreichern, wie etwa den Kanaltalern und den Deutsch-Untersteirern Hilfe zukommen ließ.

Insgesamt aber bleibt Wien bei seiner Haltung: Was kümmern uns die Sudetendeutschen, was kümmert uns Siebenbürgen, was schert uns Pecs Fünfkirchen? Darum sollen sich das Bonner Außenamt und die Goethe-Institute kümmern. Den Preis für den österreichischen Ausstieg aus der deutschen Geschichte aber zahlen die volksdeutschen Alt-Österreicher. Im untersteirischen Marburg, im südmährischen Znaim, im west-ungarischen Ödenburg muß man hoffen, daß es in Bonn Instanzen gibt, die das Überleben ethnisch-kultureller Restbestände dieses alt-österreichischen Kulturdüngers gewährleisten.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen