© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Unis: Bei leeren Kassen entdecken Hochschulen die Studentenverbindung
Bund fürs Leben
von Björn Hauptfleisch

Die Prinzipien, für die die studentischen Verbindungen einstehen, sind überraschend lebendig. Neu in Mode sind sogenannte "Alumni"-Organisationen. Ein Alumne war in vergangenen Zeiten der Bewohner eines mit der Lehranstalt verbundenen Schülerheims. Ein Alumni-Bund umfaßt die jetzigen und die ehemaligen Studenten einer Universität, die sich bereit erklären, sich für die akademische Gemeinschaft einzusetzen. Wie so vieles ist diese Institution in den vergangenen Jahren aus den USA importiert worden. Um genau zu sein: Reimportiert. Denn was ist eine Alumni-Organisation anderes als eine studentische Verbindung, ein Lebensbund so wie er unter deutschen Studenten lange Tradition hat? Ein Lebensbund ist zum Beispiel, der einen 92jährigen Unternehmer aus Osnabrück dazu bringt, der Universität Chemnitz 20.000 DM zu spenden. Um Studenten zu unterstützen. Und aus Dankbarkeit dafür, daß sein 70 Jahre zurückliegendes Studium den Grundstein für seinen unternehmerischen Erfolg legte. Ein Lebensbund gibt ein Gefühl der Verpflichtung, das nicht durch Gewohnheit oder negative Erfahrungen abgenutzt wird, sondern sich immer wieder durch den Dienst an der Gemeinschaft erneuert und bewährt.

Fast jede deutsche Universität hat inzwischen – bei leeren Kassen – den Wert ihrer Ehemaligen entdeckt. Nun werden diese heftig umworben, um mit ihren Erfahrungen und Kontakten den Studenten zur Seite zu stehen. Vergessen scheint hier der Gedanke der Gruppen-Universität, wo jeder für sich selbst möglichst viele Vorteile mitzunehmen sucht und bestenfalls noch Einsatz für die momentane Berufs- und Besoldungsgruppe zeigt. Das Lebensbundprinzip als Notanker für die Reform-Unis! Für die studentischen Korporationen als Träger dieser Idee auch in Zeiten, in der sie nicht von den Leitungen der Universitäten favorisiert wurde, hat diese Entwicklung aber noch keine erkennbaren Vorteile gebracht.

Im ganzen Land ist nicht viel davon zu merken, daß einmal so etwas wie das "gemeinsame hochschulpolitische Aktionsprogramm studentischer und akademischer Korporationsverbände in Deutschland" beschlossen wurde. Darin hatte es 1980 geheißen, zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele würden örtliche Gremien hochschulpolitische Aktivitäten diskutieren und auch durchführen. Vor allem sei man entschlossen, sich an den Wahlen zu den Studentenparlamenten und zu den anderen Selbstverwaltungsgremien zu beteiligen. Alternativ wurde eine Zusammenarbeit mit anderen Hochschulgruppen und dadurch eine Einflußnahme auf die Studentenparlamente vorgesehen. Letzteres wurde dann unter den Argusblicken der Uni-Linken auch gelegentlich versucht. Erfolgsergebnisse gab es aber nur ziemlich unregelmäßig. Liegt das nicht in erster Linie an den Verbindungsstudenten selbst? Die vielbeschworene Bereitschaft, den Kopf hinzuhalten, ist in vielen Fällen zur Floskel geworden. Die einen benutzen das trotzige Festhalten an altehrwürdigen Bräuchen um sich der argumentativen Auseinandersetzung mit nicht-korporierten Kommilitonen zu verweigern. Die anderen wiederum laufen dem Zeitgeist hinterher in der irrigen Annahme, sich damit Freunde zu machen.

Die politische Wirkung von Korporationen besteht in erster Linie darin, eine Art Buhmann für die zumeist herrschenden Uni-Linken abzugeben. Selbst wenn sie überhaupt keine Konfrontation wollen: Vor den gefährlichen, chauvinistischen Korporationen zu warnen, gehört für fast jeden AStA zur Pflicht. Bei manchen Korporationen löst dies einen Distanzierungsreflex aus. Distanzierung oder Anzupassung bleiben jedoch völlig nutzlos, da die Korporationen in ihrer Funktion als Sündenböcke für manche Kreise nicht zu ersetzen sind.


 
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