© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/97  09. Mai 1997

 
 
NATO: Schattenspiele um Österreichs Beitritt
Wien ist willkommen im Klub
von Ernst Fröhlich

Die seit Monaten öffentlich heißdiskutierte Frage, ob Österreich der NATO beitreten solle oder nicht, scheint hinter den Kulissen längst entschieden; ein offizielles Ansuchen um Aufnahme in den Nordatlantik-Pakt ist nur noch eine Frage von Monaten.

Während die breite Bevölkerung mit dem üblichen, medialen Kasperletheater Schritt für Schritt zu den neuen Verhältnissen hingeführt wird, zeichnen sich für den aufmerksamen Beobachter schon seit längerem umwälzende Veränderungen in Österreichs militärischer Streitmacht ab: Da werden seit dem Einrückungstermin 10/96 militärische Vergatterungsformen (zum Beispiel "Präsentiert das Gewehr", "Ruht" u. ä.) jenen der NATO angeglichen, da folgen immer neue Änderungen der Dienstvorschriften Schlag auf Schlag und in ungewohnt kurzen Zeitabständen. Der Albanien-Einsatz unserer Soldaten war dabei das erste offizielle Zeichen, daß Österreichs militärische Dienstleistungen künftig nicht nur auf friedenserhaltende Missionen der UNO beschränkt bleiben würden.

Hinter vorgehaltener Hand mutiert unterdessen die gesamte Armee der Alpenrepublik zu einer moderneren, effizienteren, schlankeren Streitmacht: Aus den neuesten militärischen Karten können nicht mehr – wie es bisher gehandhabt wurde – Koordinatenmeldungen mit Hilfe eines Netzteilers gelesen werden, sondern man orientiert sich künftig, wie zu Anbeginn menschlicher Orientierung, an den Sternen, sprich: "GPS". Auch die Ausbildung der Unteroffiziere erfuhr in jüngerer Vergangenheit einen sprunghaften Niveau-Anstieg. Neben ihren Kenntnissen im Felde müssen Österreichs Ausbilder in Zukunft auch umfangreiches Wissen über das Wehrgesetz erwerben. Ebenso werden sie in Politikgeschichte ab 1945 geschult, um die militärische Lage Europas der Gegenwart verstehen und richtig einschätzen zu können. Da einem österreichischen Unteroffizier aber kaum Geopolitik beigebracht wird, wenn sein zukünftiges Einsatzgebiet nach wie vor Vaterland Österreich bleibt, liegt der Schluß nahe, daß all diese Neuerungen auf einen Beitritt zu einem größeren militärischen Bündnis zielen.

Zur Zeit wird außerdem diskutiert, die drei Korps, in die Österreich militärisch eingeteilt ist, zu einem großen Korps zusammenzufassen, dessen Sitz nach Salzburg verlegt würde. Der Gedanke der dahintersteht? Ein großes Korps ist unter internationalem Kommando besser zu koordinieren, als drei kleine. Selbst für den Grundwehrdiener der Zukunft ändert sich einiges: Er braucht nicht mehr in Massenunterkünften sein Dasein zu fristen, sondern teilt sein Zimmer nur mehr mit sieben bis neun Kameraden. Diese Neuerung findet allerdings frühestens in zwei Jahren statt, denn ein diesbezügliches Versuchsprojekt des Wirtschaftsministeriums im Fliegerhorst Hinterstoisser (Zeltweg), bei dem in den Mannschaftszimmern im Block IV Zwischenwände eingezogen werden, wurde vorläufig gestoppt, nachdem – in österreichischer Manier – wieder einmal das vorläufig bewilligte Geld ausgegangen war. Die Mittel zur Fertigstellung werden frühestens 1999 freigesetzt, bis dahin bleibt Block IV eine Bauruine.

Warum aber durchweht ein so erfreulich frischer Reformwind gerade jetzt unser Heer, wo wir – in unserer künftigen Stellung als europäisches Binnenland – mit weniger Feindgefahr zu rechnen haben werden, als je zuvor in unserer Geschichte? Die einzig schlüssige Antwort im Kontext zu den gegenwärtigen Umständen, ist der bevorstehende NATO-Beitritt. Der große Nachteil, der sich daraus ergibt, ist eine weitere Beschneidung unseres Mitspracherechts, der große Vorteil die erhöhte Sicherheit durch unsere oben erwähnte Stellung als Binnenland. Inwieweit aber Sicherheit ohne Freiheit erstrebenswert ist, bleibt fraglich.


 
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