© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/97  02. Mai 1997

 
 
Bürgerkriegsflüchtlinge: Diskussion über Bürgschaften verweigert
"Üble braune Suppe"
von Felix Kilian

In der Diskussion um die Rückführung der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien ist ein Aspekt vollständig aus dem Blickfeld geraten. Dabei handelt es sich um die Tatsache, daß ein beachtlicher Teil der etwa 350.000 Flüchtlinge nur aufgrund sogenannter Haftungsübernahmeerklärungen nach Deutschland einreisen durfte.

Bei diesen Verpflichtungserklärungen handelt es sich aus rechtlicher Sicht um Bürgschaften. Der Bürge verpflichtet sich in diesem Fall, für sämtliche Unterbringungs-, Verpflegungs- und ggf. auch Heilbehandlungskosten persönlich aufzukommen, die durch diejenigen Personen bewirkt werden, für die gebürgt wurde. Weil die persönlichen Belastungen, die sich aus dieser Verpflichtung ergeben, unter Umständen außerordentlich hoch sein können, ist gemäß § 84 des Ausländergesetzes die Schriftform zwingend vorgeschrieben. Darüber hinaus findet in aller Regel von seiten der deutschen Behörden eine Bonitätsprüfung des Bürgwilligen statt. Trotz solcher Hürden gaben Zehntausende bereitwillig Verpflichtungserklärungen ab.

Auf diesen Weise sind den Angaben der dortigen Landesregierung zufolge allein nach Baden-Württemberg zwischen 1991 und 1993 deutlich mehr als 10.000 der ursprünglich etwa 55.000 Kriegsflüchtlinge aus Bosnien gekommen. Auf das Bundesgebiet hochgerechnet dürfte dies etwa 50.000 bis 70.000 Personen betreffen. Die ursprünglich unbefristete Geltungsdauer der Verpflichtungserklärungen wurde zumindest in Baden-Württemberg per Gerichtsentscheid auf die Zeit zwischen der Einreise und dem Abschluß des "Dayton-Friedensabkommens" am 15. Dezember 1995 beschränkt.

Wie sich allerdings bald herausstellte, waren zahlreiche Bürgen entweder nicht oder nicht lange in der Lage – oder aber nicht willens – ihre Verpflichtungen aufgrund der jeweiligen Bürgschaft einzuhalten. Je länger der Krieg in Bosnien und damit der Aufenthalt auch dieser Flüchtlinge in Deutschland andauerte, desto häufiger fanden sie sich auf den Sozialämtern der Kreise oder Kommunen wieder. Berechnungen der Republikaner im Stuttgarter Landtag zufolge, die von der Landesregierung unwidersprochen blieben, sind den Steuerzahlern in Baden-Württemberg durch die Unterstützung eines Teils der "Bürgschaftsflüchtlinge" zwischen 1992 und Ende 1995 zusätzliche Kosten in Höhe von 100 bis 150 Millionen Mark entstanden. Diese Aufwendungen bewirkten unzweifelhaft Ansprüche der Kommunen gegenüber den persönlich haftenden Bürgen, die aufgrund der Gesetzeslage auch eingetrieben werden müßten. Zumindest in Baden-Württemberg sind zahlreiche Stadt- und Landkreise dazu aber nicht bereit.

Als die Republikaner deshalb verlangten, angesichts der dramatischen finanziellen Lage des Landes und der Kommunen die tatsächlichen Ansprüche aus den Verpflichtungserklärungen ermitteln und einfordern zu lassen, blockte auch die Regierung. Sie verwies auf den hohen Verwaltungsaufwand und lehnte ab. Ein weiterer Versuch der Republikaner, über ihren Antrag im Landtag selbst zu diskutieren, wurde von den Altparteien einhellig zurückgewiesen und im Plenum von dem SPD-Abgeordneten Heiler mit den Worten kommentiert: "Wir wollen es nicht mehr länger hinnehmen, daß die Rechtsaußen mit solch unsinnigen und unqualifizierten Anträgen nicht nur alle möglichen Behörden, sondern auch diesen Landtag dazu mißbrauchen, ihre üble braune Suppe zu kochen."

Als sich trotz Aufforderung Innenminister Thomas Schäuble (CDU) weigerte, über die Bürgschaften an bosnische Flüchtlinge sachlich zu diskutieren, stellte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Landtag, Christian Käs, fest, "daß die Verweigerungshaltung einiger Stadt- und Landkreise in diesem Land hingenommen wird, daß offener Rechtsbruch von diesem Landtag in seiner großen Mehrheit hingenommen wird, daß der Innenminister diesen offenen Rechtsbruch stehenläßt und es selber noch nicht einmal für nötig hält, hierzu Position zu beziehen".

Am selben Tag beschloß der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat in Bonn, die Bundesländer sollten in den nächsten fünf Jahren rund 750 Millionen Mark in einen Fonds zur Finanzierung des Neu- und Wiederaufbaus von Wohnungen in Bosnien-Herzegowina für aus Deutschland zurückkehrende Flüchtlinge einzahlen.


 
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