© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/97  02. Mai 1997

 
 
Militärgeschichte: Bosnische und türkische Freiwillige in den Verbänden der Waffen-SS
Himmlers muslimische Streiter
von Arman Kilic

Muslimische Bosnier, Turkestaner, Krim- und Wolgatataren, Aserbeidschaner und Nord-kaukasier in den militärischen For-mationen der WaffenSS – das ist eines der schillerndsten, weil eigentümlichsten Kapitel in der Ideologiegeschichte des Nationalsozialismus sowie der Militärgeschichte des Zweiten Weltkrieges.

Es ist weitgehend bekannt, daß sich die Waffen-SS im Laufe dieses Krieges von einer ursprünglich exklusiven weltanschaulichmilitärischen Prätorianergarde aus deutschen Soldaten zur multinationalen Massenarmee wandelte. Seit Juni 1941 begann die SS verstärkt von ihrer germanozentrischen Sicht zugunsten einer auf das "indoeuropäischchristliche, weiße Abendland" rekurrierenden "EuropaIdeologie" abzurücken.

Zwei Ereignisse sprengten allerdings seit Anfang 1943 den durch die "EuropaIdee" vorgegebenen Rahmen der schon zu diesem Zeitpunkt multinationalen WaffenSS: zunächst wurde im Februar 1943 die Aufstellung einer muslimischen Division der WaffenSS auf dem Balkan von Hitler persönlich abgesegnet, worauf im Mai 1944 die Genehmigung Himmlers zur Aufstellung eines "Osttürkischen Waffenverbandes der SS" an der Ostfront folgte.

Die Wehrmacht hatte seit Mitte 1942 verstärkt darauf gedrängt, einheimische Freiwillige auf dem Balkan zu militärischen Einheiten zusammenzuschließen, um im Kampf gegen die immer bedrohlicher werdende Partisanenbewegung bestehen zu können. Die italienischen Besatzungstruppen sowie die kroatischen UstaschaMilizen waren dem Gegner ab 1943 nicht mehr gewachsen, so daß zunehmend die Wehrmacht eingreifen mußte. Als die deutschen Verluste die Schmerzgrenze erreichten, setzte sich eine pragmatisch orientierte Gruppe von Technokraten im SSHauptamt (SSHA) mit dem Plan einer muslimischen WaffenSSDivision durch, der auch Hitlers Zustimmung fand. Die muslimischen Bosnier boten in den Augen der Wehrmachts und SSFührung die beste Gewähr für den erfolgreichen Kampf gegen Titos Partisanen und die häufig die Fronten wechselnden großserbischen Tschetniks, da sie beide Gruppen aus politischen wie religiösen Gründen strikt ablehnten.

Der kroatische Ustascha-Staat zeigte sich in der Behandlung der muslimischen Bosnier toleranter als das jugoslawische Nachkriegskönigreich. Die Bosnier wurden als "ethnisch reine Kroaten muslimischer Glaubenszugehörigkeit" definiert und genossen daher weitreichende Religionsrechte. Zudem spielte der Islam in dem ländlichtraditionalistischen BosnienHerzegowina, das Teil UstaschaKroatiens war, eine herausragende Rolle als loyalitätsbegründende "Weltanschauung". Es bedurfte deshalb nicht der antikommunistischen Agitation der UstaschaAktivisten, um die überwiegende Mehrheit der Bosnier gegen die Ideen von Marx und Lenin aufzubringen.

Hitlers Bemerkung im Herbst 1943 gegenüber Alfred Rosenberg, er halte im Kampf gegen "Judentum und Bolschewismus" nur die Mohammedaner als Bündnisgenossen für zuverlässig, dokumentiert neben zahlreichen ähnlichen Äußerungen seine Einstellung zum Islam, welche sich die SS schrittweise zu eigen machen sollte. Aussagen über eine Bündniskonstruktion NSIslam sind zwar weder in Hitlers "Mein Kampf" enthalten noch in den Abhandlungen führender NSIdeologen, allerdings sollte diese Option nach 1941 immer mehr an Bedeutung gewinnen. Beflügelt wurden jene Visionen durch die Aktivitäten des Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin elHusseini, die sich gegen die quasikoloniale Hegemonie Großbritanniens in der arabischen Welt sowie die jüdische Einwanderung ins englische Mandatsgebiet Palästina richteten. Der nationalarabischantibritische Aufstand des irakischen Ministerpräsidenten Raschid elGailani 1941 und die rege politische Tätigkeit pantürkischnationalistischer Gruppen in der neutralen Türkei und in der UdSSR weckten das Interesse der SS an der islamischen Welt der Türken und Araber.

Im SSHA war man daher bestrebt, diese geopolitischen Perspektiven NSkonform zu bewerten und ging sogar soweit, im Islam und NS zwei wesensverwandte "Kampfideologien" zu sehen. Bis zum 19. April 1943 meldeten sich über 20.000 junge Bosnier freiwillig zum Dienst auf deutscher Seite und wurden auf die dem NS und Islam angeblich gemeinsamen Ideale Gehorsam, Treue, Ordnung, Autorität, Hierarchie, Familie, Gemeinschaftsbewußtsein sowie eine heldischkämpferische Lebenseinstellung eingeschworen. Vom SSHA wurde die Parole ausgegeben, daß "Marxismus, Liberalismus, Judentum und angelsächsischplutokratischer Imperialismus" die gemeinsamen Feinde seien. Der Großmufti von Jerusalem und zahlreiche weitere muslimische Honoratioren setzten sich öffentlich für den bosnischen WaffenSSVerband ein. Im Gegenzug achtete das SSHA geradezu penibel auf den takt und respektvollen Umgang mit den religiösen Gefühlen und Gepflogenheiten der muslimischen Soldaten. So wurden die islamischen Speisevorschriften beachtet, die Tätigkeit von Imamen in den Bataillonen genehmigt und sogar die Gründung einer MullahSchule in Dresden zugesagt, die islamische Feldgeistliche ausbilden sollte.

Nach dem Abschluß der militärischen Ausbildung in Südfrankreich wurde die Division nach Neuhammer in Schlesien verlegt und dort im November 1943 von Himmler und dem Großmufti inspiziert. Dem Verband wurde der Name 13. Waffengebirgsdivision der SS "Handschar" gegeben. "Handschar" bezeichnet ein seit dem 16. Jahrhundert von den osmanischen Janitscharen als Hiebwaffe benutztes Krummschwert. Die Soldaten trugen den aus der Zeit der Türkenherrschaft als traditionelle orientalische Kopfbedeckung bekannten Fez, auf dessen Stirnseite der stilisierte deutsche Reichsadler und der SStypische Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen angebracht waren. Der rechte Kragenspiegel zeigte das von einer Faust umgriffene Handscharschwert und ein hinzugefügtes kleines Hakenkreuz als Symbol der waffenbrüderlichen Verbundenheit von NS und kämpferischem Islam.

Die Division bewährte sich vor allem bei der Partisanenbekämpfung in Ostbosnien im Rahmen des Unternehmens "Kugelblitz" im Winter 1943/44. Später wurden auf dem Balkan noch zwei weitere Verbände – die albanischmuslimische Division "Skanderbeg" und die bosnischkroatische Division "Kama" – aufgestellt. Da der Kriegsschauplatz ihre eigene Heimat war, verfügten diese WaffenSSDivisionen über sehr gute Orts und Mentalitätskenntnisse. Dies und ihre hohe Kampfmoral machten sie zu gefürchteten Gegnern der Partisanen.

Dem "balkanischen Projekt" der SS folgte alsbald die Aufstellung einer türkischmuslimischen Einheit an der Ostfront im Mai 1944. Mitte Juli des Jahres verfügte Himmler unter Bezugnahme auf Hitlers Erlaubnis die Zusammenfassung aller sowjetischen Kriegsgefangenen osttürkischer Nationalität sowie diverser turktatarischer, kaukasischer und turkestanischer Freiwilligenregimenter der Wehrmacht zum "Osttürkischen Waffenverband der SS". Der Großteil dieser Freiwilligen war von der turanischen Idee durchdrungen, das heißt von der politischen Vision der Errichtung eines großtürkischen Staatsgefüges. Der Befehlshaber des Verbandes war ein österreichischer Offizier, der zum Islam übergetreten war und sich den arabischen Namen HarunalRaschid zugelegt hatte.

Das Ende all dieser muslimischen WaffenSSFreiwilligen ist überaus tragisch gewesen, da nahezu jeder die eigenen politischen Ideen mit dem Leben bezahlte. Die Angehörigen der drei Einheiten wurden nach dem Sieg Titos einschließlich des deutschen Rahmenpersonals ohne Gerichtsverfahren umgebracht. Das gleiche Schicksal traf die osttürkischen Freiwilligen im Herrschaftsbereich der Sowjets: viele wurden an Ort und Stelle von Partisanen und Soldaten der Roten Armee getötet, die Überlebenden verschwanden im GULagSystem der Arbeits und Umerzie hungslager.


 
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