© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/97  25. April 1997

 
 
FPÖ-Programmstreit: Langsame Annäherung an christdemokratische Positionen
Haiders Angriff auf Österreichs Mitte
von Christian Pinter

Das neue FPÖ-Programm sorgt bereits vor Inkrafttreten für Aufregung. Das angestrebte Bündnis des wehrhaften Christentums bringt nicht nur nostalgische Emotionen hoch. Nachdem zuletzt die Freiheitlichen in Wien mehr oder weniger gegen diese Idee auftraten, formiert sich auch in anderen Bundesländern der Widerstand. Vorreiter sind dabei die Kärntner und Niederösterreicher, doch auch die Vorarlberger sind mit dieser Neuerung nicht ganz glücklich. Für die Kärntner erklärte Landtagspräsident Jörg Freunschlag: "Die Formulierung wehrhaftes Christentum stößt mir persönlich auf, wie einigen anderen auch." Vor allem ältere Semester an der Basis könnten aus historischen Gründen mit einem wehrhaften Christentum im Parteiprogramm nichts anfangen. Freunschlag selbst hält eine Urabstimmung bezüglich des neuen Parteiprogramms für nicht nötig, doch müsse man das Programm "prinzipiell" diskutieren. In Kärnten wird der Programmentwurf nun jedem einzelnen Mitglied zugesendet. Nicht nur im Süden, sondern auch im Nordosten gibt es erste negative Reaktionen. "Ich halte dem wehrhaften Christentum die Position einer wehrhaften Demokratie entgegen", meint Erich Schreiner. Schreiner ist stellvertretender Klubobmann im niederösterreichischen Landtag.

Aus Vorarlberg meldet sich der freiheitliche Klubobmann Siegfried Neyer zu Wort, der den Programmentwurf zwar noch nicht gelesen hat, doch die Neuerungen im großen und ganzen positiv bewertet. Er hält das Programm als Bestätigung des freiheitlichen Kurses in Vorarlberg. "Viele Freiheitliche hier sind praktizierende Christen." Widerstand rege sich jedoch bei jenen Gruppen, die aus antiklerikalen Traditionen kommen. Neyer hält eine Urabstimmung zwar nicht für nötig, doch als Befürworter der direkten Demokratie sei er nicht dagegen. Wie in Kärnten suchen auch die Vorarlberger erstmals die Diskussion. Die Solidarität der Vorarlberger mit dem Programmentwurf ist wohl auch daraus zu erklären, daß der "Vorschreiber" Ewald Stadler selbst aus dem Ländle stammt und einigen Passagen eine klare Vorarlberger Handschrift tragen.

Die Idee des wehrhaften Christentums steht den traditionellen freiheitlichen Werten also doch entgegen. Andererseits geht es für Jörg Haider darum, weitere neue Wählerschichten zu erschließen.


 
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