© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/97  11. April 1997

 
 
Neuer TV-Sender in Österreich: Dominiert die "Kronen-Zeitung"?
Die Ohnmacht der Konkurrenz
von Erich Glück

Ab Mitte April 1997 soll zumindest offiziell ein Teil der rot-schwarz dominierten österrei-chischen Medienlandschaft bunter werden, wenn der private TV-Sender "Wien 1" in Betrieb geht. Als Gründungsgesellschaft firmieren ÖGB-Verlag Elbermühl und die "rote" BAWAG (= Bank für Arbeit und Wirtschaft AG). Sie gehört mittlerweile zu 45 Prozent der Bayerischen Landesbank. Als seriöseste Gesellschafter werden die seit der "Einverleibung" der CA (=Creditanstalt) übermächtige SPÖ-nahe Bank Austria, die "Erste" (österr. Spar-Casse Bank AG) und Hans Dichand, Herausgeber der Kronen-Zeitung gehandelt. Zunächst soll "W 1" 450.000 Haushalte in Ostösterreich erreichen, ehe die Strategien über die Expansion des Netzes auf das restliche Bundesgebiet konzipiert werden. Mediaprint-Geschäftsführer Wolfgang Altermann unterstreicht die Ambitionen des auflagenstärksten Massenblattes der Alpen-Donau-Republik: "Natürlich ist das Interesse vorhanden, und das Gesetz erlaubt eine Beteiligung bis zu 26 Prozent!" So dem Projekt ein Zacken aus der Krone fällt, hat Dichand nach seinen gescheiterten Plänen mit seiner Firma "Tele 1" im Großraum der Bundeshauptstadt einen TV-Kanal betreiben zu können, eine Alternative in petto: parallel zum "Regierungsfunk" ORF eine konventionelle "terrestrische" Fernsehanstalt zu starten. Den Trumpf hätte Dichand schon im Talon. Die SPÖVP-Koalition hat die Karten für die Brechung des Rundfunk-Monopols gemischt und wird sie mit Sicherheit heuer noch ausspielen. Sie erfüllt damit nach mehr als zweijähriger EU-Mitgliedschaft ohnehin nur ein Statut Brüssels.

Die alte Nervosität der bundesweiten Krone-Konkurrenz im Zusammenhang mit dem genauest kalkulierten Machtspiel des Krone-Herren erlebt seit der Propagandaschlacht um das "Ja" zum EU-Beitritt Österreichs am 12. Juni 1994 regelmäßig neue Ausbrüche der Ohnmacht gegen den Machtfaktor Krone. Zwei Tage nach dem Referendum nannte selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Hauptgründe für Dichands gewichtiges aber keineswegs bedingungsloses Engagement für Brüssel. "Er hat sich mit seinem Schwenk vom Haider-Sympathisanten zum Regierungsunterstützer kräftige Chancen eingeräumt, bei der Vergabe von Lizenzen für privaten Rundfunk nicht übergangen zu werden."

Für den TV-Macher in spe ist eine günstige politische "Klima-Zone" unverzichtbar. Für dieses Ziel werden alle zur Verfügungstehenden Register gezogen. Da kam der zum "Wetten,daß…"-Wunderkind aufgemascherlte 9jährige Oliver aus Wien-Favoriten gerade recht. Am Abend vor dem Palmsonntag wurde der Knirps, der alle Haltestellen und Verkehrslinien seiner Heimatstadt auswendig kann, "Wettkönig" bei Gottschalk. Der heißeste Wunsch des Kleinen: "Ich möcht’ so gern den Viktor Klima kennenlernen!" – Drei Tage nach dieser Schlagzeile als Krone für den neuesten "Wetten, daß…"-König wurde dem jungen Mann, der laut Zeitungszitat den Haider nicht leiden kann, denn "er sagt immer etwas anderes, und das mag ich nicht", vor laufenden "seitenblickenden" ORF-Kameras der "Onkel Viktor" mitten in der Karwoche als vorweggenommener "Osterhase" präsentiert. – Was der Haider immer anders sagt, wurde geflissentlich verschwiegen. Bleibt als Odium nur Goethes: "Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt!" (Torquato Tasso). Der Krone-Herausgeber ist allerdings nicht nur ein zielstrebiger Stratege, er ist auch gewitzter Taktiker. Sein "Zeitung in der Zeitung"-Prinzip hat sich bewährt. Während in den anderen Ressorts seit dem Gesinnungswandel Jörg Haider jederzeit eine verpaßt bekommen darf, hat der FPÖ-Vorsitzende bei "Staberl" (Richard Nimmerrichter), Nestor der österreichischen Presseszene, fast immer positive Resonanz. Auf den 77-jährigen Nimmerrichter (geb. 1920 in Wien) will Dichand nie und nimmer verzichten. "Ich möchte schon seit mehr als zehn Jahren in den Ruhestand gehen, aber der Dichand läßt mich nicht, obwohl ich ihm bereits mehrere mögliche Nachfolger vorgeschlagen habe", befürchtet "Staberl", populärste Antifa-Zielscheibe der schreibenden Zunft in Österreich, daß er sich’s bezüglich Pensionierung so schnell "nimmer richten" kann, da Dichand weit und breit keinen Kolumnisten sichtet, der schnell genug in die Schuhe seines Renommier-Redakteurs hineinwachsen kann. Nimmerrichter begann seine Journalistenkarriere 1945 bei der sozialistischen Arbeiterzeitung und gehört seit 1964 der Krone an. Am bittersten stoßen dem Rest der weitgehend unter stagnierenden Auflagen leidenden österreichischen Printmedien jedoch nicht die ein "Herz" und eine Krone-Wahlverwandschaften zu gewissen Granden der großen Regierungspartei auf. Dieses Phänomen ist auch in anderen Zeitungshäusern trotz des Etiketts "unabhängig" nicht unbekannt. Die Presseförderung verschmäht schließlich keiner. Es ist die jüngst immer deutlicher zur Schau gestellte Affinität zwischen Wiens Muthgasse (Sitz der Krone-Hauptredaktion im Pressehaus) und der ORF-Zentrale auf dem Küniglberg, die bei den Verlegern zwischen Eisenstadt und Bregenz für Adrenalinstöße sorgt. Sie laden ihren Zorn auf die Schleichwerbung, die das kleinformatige Millionenblatt auf den TV-Bildschirmen bei Veranstaltungen wie "Krone-Wahl des Fußballers des Jahres" und "Krone der Volksmusik" riesengroß herausbringt, meist hinter verschlossenen Türen ab. Jeder poltert, keiner aber protestiert, ist doch die Krone Mitglied im Zeitungsverband. Lediglich Horst Pirker, Verlagschef der in Graz erscheinenden röm.-kath.-kircheneigenen Kleinen Zeitung, nimmt sich als schärfster steirischer Marktrivale kein "Boulevard"-Blatt vor den Mund: "Krone und Küniglberg entwickeln sich immer mehr zum Gespann. Wahrscheinlich denkt man in der TV-Chefetage an die Zukunft und will sich’s mit einem eventuellen künftigen Brötchengeber namens Dichand nicht verscherzen!"

In Österreich garantiert ein vermeintliches Mehr an medialer Präsenz selbst nach dem Knopfdruck zum Start von "Wien 1" noch lange kein Plus an wirklicher medialer Vielfalt und sachlicher Objektivität… Mit und ohne Krone- "Kaiser"-Dichand (Pseudonym Cato). Er hat vor drei Jahren sein Wunschresultat von 66,58 Prozent an Ja-Stimmen für den EU-Beitritt, als es ihm gelungen war, die Österreicher mehrheitlich für Brüssel zu gewinnen, mit "...uns geht es um Erfolg und nicht um Macht. Wir agieren im Vorhof der Macht…", kommentiert. "Wien 1" mit Gesellschaftern wie einem ÖGB-Verlag und SPÖ-nahen Finanzgiganten muß sich erst als Garant für ein faktisch unabhängiges Fernsehen als Alternative zum rotstichigen ORF beweisen.

Die Realität wird zeigen, ob sich die Bilder und Wortlaute gleichen oder nicht, und ob die Bildschirme vor allem im partei- und kulturpolitischen Bereich weiterhin den Effekt von Zerrspiegeln haben. "Wien 1" als ideologischer ORF-Wurmfortsatz ? – In Österreich ist nicht nur im Lotto alles möglich.


 
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