© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/97  11. April 1997

 
 
Zeitschriftenkritik: "Enquete sur l'histoire"
Europa der Nationen
von Robert Schwarz

Seit Ende 1991 bereichert ein neues Geschichtsmagazin den französischen Zeitschriftenmarkt. Vierteljährlich widmet sich Enquête sur l’histoire einem Thema der französischen oder europäischen Geschichte. Meist handelt es sich um historische Epochen, die sonst stiefmütterlich behandelt werden, wie "Der Aufstand in der Vendée", "Die politische Rechte von 1870--–1940", "Das koloniale Abenteuer", "Europa und der Islam". Oder es werden zeitgeschichtliche Themen ausgewählt, die in non-konformer Weise bearbeitet werden: "Die OAS und der Algerienkrieg", "Mitterrand", "Die Schriftsteller und die Kollaboration 1940–45", "Politische Verbrechen", "De Gaulle und der Gaullismus", "Pétain vor der Geschichte", "1914–1918", "Der spanische Bürgerkrieg".

Für eine politisch nicht korrekte Ausrichtung der Zeitschrift stehen Dominique Venner und seine aus überwiegend neu-rechten Autoren zusammengesetzte Mannschaft, zu denen auch der bekannte Experte für deutsches Militär und Bestseller-Autor Jean Mabire gehört. Für geschichtsbegeisterte Buchfreunde, die des Französischen mächtig sind, ist das Periodikum eine wahre Fundgrube. Drei bis vier Seiten sind Kurzrezensionen von Neuerscheinungen vorbehalten, auf die der Leser oftmals gar nicht aufmerksam würde, weil viele davon in kleineren Verlagen erscheinen. Auffallend ist die aufgeklärte nationalistische Grundhaltung und das immer wieder zum Vorschein kommende gesamteuropäische Bewußtsein. Bei den Ausstellungsankündigungen wird auch Deutschland berücksichtigt und in der historischen Agenda auch wichtige deutsche Geschichtsereignisse.

Venner, ein Spezialist für deutsche Freikorps, hat die neueste Ausgabe "Deutschland – Von Karl dem Großen bis Helmut Kohl" gewidmet, wobei dem Leser an den französischen Kiosken allerdings nicht letzterer, sondern Ernst Jünger vom Titelbild entgegenprangt. Wer nun aufgrund des Titels erwartet, daß die französischen Bearbeiter eine ähnliche Sicht der deutschen Geschichte an den Tag legen, wie man sie von der Mehrzahl bundesdeutscher oder österreichischer Autoren gewohnt ist, der irrt. Der Begriff "Versailler Vertrag" zum Beispiel wird durchgängig abgelehnt. Die Geschichte des Nachbarn wird von den französischen Autoren bewußt oder unbewußt nicht in eine österreichische und eine deutsche seziert. Marie-Antoinette, die in Frankreich zwar den Beinamen "Die Österreicherin" führte, wird ebenso unvoreingenommen als deutsche Persönlichkeit dargestellt wie Andreas Hofer. Neben einer selbstkritischen Aufarbeitung der französischen Besatzungen in Deutschland verdienen aus deutscher Sicht drei höchst lesenswerte Interviews Beachtung. Das erste mit Dominique Venner ist betitelt: "Wie Clémenceau Hitler erzeugte". Der Schriftsteller Günther Maschke schildert eindrucksvoll die Auswirkungen der Umerziehung und die Unterdrückung des politischen Ideenwettstreits. Jean-Paul Picaper schließlich, der Deutschland-Korrespondent des Le Figaro, gibt in seinem Gespräch ein sehr positives Deutschlandbild wieder.

("Enquête sur l’histoire"; 60, boulevard Malesherbes; F-75008 Paris. Einzelpreis: FF 38,–; Auslandsjahresabonnement (vier Ausgaben): FF 175,–)


 
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