© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/97  11. April 1997

 
 
Südtirol: Italien Staatspräsident Scafaro besuchte offiziell Bozen
"Hier ist italienisches Staatsgebiet!
von Thomas Pfeifer

Eine Woche vor Ostern traf der italienische Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro am Bozener Hauptbahnhof zu einem zweitägigen offiziellen Südtirolbesuch ein. Hier hatten sich bereits einige Hundert Sympathisanten versammelt, um das italienische Staatsoberhaupt mit "Italia!"-Rufen zu empfangen. Später vor dem Landhaus erwarteten ihn etwa hundert italienische Neofaschisten, die "Keine Begnadigung der Tiroler Terroristen!", "Ja zum Waffenverbot für die Schützen!" und "Keine Europaregion Tirol!" forderten. Scalfaro schüttelte einigen Demonstranten "aus Höflichkeit" die Hände, wie dies später der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder kommentierte.

Er selbst überreichte Scalfaro eine "Wunschliste", in welcher er eine Aufhebung des Waffenverbots für die Südtiroler Schützen ebenso forderte, wie die Begnadigung der in Österreich lebenden Südtiroler Aktivisten der 60er Jahre.

Der Empfang im Regierungskommissariat bildete den politischen Höhepunkt. Hier empfing Scalfaro die politischen Repräsentanten Südtirols, darunter 116 Bürgermeister. Die deutschen Politiker verzichteten selbstredend auf das Tragen der italienischen Trikolore. Hier überreichte Scalfaro dem Alt-LH Silvius Magnago die höchste italienische Auszeichnung, welche dieser dankend annahm. In seiner Rede betonte Scalfaro, daß hier italienisches Staatsgebiet mit verschiedenen Sprachgruppen sei, die sich hier alle zu Hause fühlen dürften. Weiters lobte er Südtirol als Modell zur Lösung von "Minderheitenproblemen" und verwies auf den europäischen Einigungsprozeß, der zu einem "politisch geeinten Europa der Regionen und der Völker" führen sollte. Ob Scalfaro an dieser Stelle an die Europaregion Tirol dachte, darf freilich bezweifelt werden, denn vor eineinhalb Jahren hatte er die Europaregion als Gefahr für die Einheit Italiens bezeichnet, und für die Südtirol-Aktivisten hatte er lediglich ein lapidares "Dynamit ist Dynamit!" übrig. Unverbindlich gab sich Scalfaro mit seinem Ratschlag zur Region, in dem er zur Zusammenarbeit riet und Respekt vor dem bisher Erreichten forderte. Weiter sei es wichtig, Gemeinsamkeiten zu suchen und Extremismen zu vermeiden. Das faschistische "Siegesdenkmal" in Bozen, das nach wie vor eine Demütigung der Südtiroler darstellt, sprach er freilich nicht an.

Nach einem weiteren Tag in Brixen verließ Scalfaro wieder "seine nördlichste italienische Provinz". Landeshauptmann Durnwalder gab sich mit dem Treffen zufrieden, obgleich der italienische Staatspräsident keine konkreten Zusagen zu seiner "Wunschliste" gemacht hatte.


 
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