© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/97  04. April 1997

 
 
Georg Patton: Verfechter einer alternativen US-Deutschlandpolitik
Der General mit dem Goldhelm
von Peter Lebisch

Das Ziel des Krieges besteht nicht darin, im Auftrag der Regierung den Tod zu erleiden, sondern sich zu bemühen, daß der Gegner für sein Land stirbt. So lautet das "Patton-Prinzip", welches die amerikanische Armee stets effektiv zu handhaben wußte. General George S. Patton, herausragender Militärführer der USA, formulierte diesen Grundsatz. Für die deutsche Zeitgeschichte ist Patton bedeutsam. Im Zweiten Weltkrieg befehligte er US-Truppen in Nordafrika, Italien, Frankreich und Deutschland. Er war der Rommel der Amerikaner. Unmittelbar nach Kriegsende mutierte der US-General fast zum Freund der Deutschen, bis er im Dezember 1945 durch einen Autounfall, der manchen rätselhaft erschien, ums Leben kam. Der 1885 in Kalifornien geborene Patton entstammte einer Familie, die seit der Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges Offiziere gestellt hatte. 1909 schloß er seine Ausbildung an der US-Militärakademie ab und ging zur Kavallerie. Bei der Olympiade 1912 in Stockholm gewann er eine Medaille im Reiten, 1916 kämpfte er an der Seite von General Pershing in Mexiko und erlangte 1917/18 Lor-beeren in Frankreich. Den für die Kavallerie typischen Angriffsgeist übertrug der junge Offizier auf die Panzertruppe, der Patton seit 1917 angehörte. Als er 1919 Europa wieder verließ, bekleidete er den Rang eines Oberst. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges unterstanden ihm Militäreinheiten in den USA. Nach eigenen Worten liebte Patton den Krieg genauso wie das Wohlleben. Unberechenbar und widerspruchsvoll wie dieser Offizier war, genoß er den Ruf, eine ebenso markante wie eigenständige Per-sönlichkeit zu sein, die nicht bloß die Hacken zusammenschlug. Während des Zweiten Weltkrieges ignorierte er manches Mal Anweisungen der Militärführung und operierte selbständig. Fast immer blieb der Erfolg ihm treu. (Patton ist ein gutes Beispiel dafür, daß es oft die besten Leute sind, die den Vorgesetzten Prob-leme bereiten). Seine Willensstärke unterstrich er augenfällig dadurch, daß er es schätzte, mit einem vergoldeten Stahlhelm umherzulaufen.

Im November 1942 betrat Patton nordafrikanischen Boden. Anfang 1943 zum Drei-Sterne-General befördert, kommandierte er bei der Eroberung Siziliens (Juli 1943) die 7. US-Armee. Eigentlich sollte er Montgomery Flankenschutz geben, doch genügte ihm diese Rolle nicht. Pat-ton eroberte Messina, bevor es der verärgerte Montgomery tun konnte.

Vorläufig wurde Patton kaltgestellt. Er blieb auf Sizilien und kam erst im Januar 1944 nach England, wo er sich an der Vorbereitung der Invasion beteiligte. Am 6. Juli 1944, vier Wochen nach Beginn der Landung, erschien Patton an der Front. Am 1. August 1944 übernahm er die 3. US-Armee, die fortan im Brennpunkt des Geschehens kämpfte - vom Durchbruch bei Avranches und der Ardennenschlacht bis zum Vorstoß jenseits des Rheins. Patton, der oft in der Gefechtslinie agierte, war bei seinen Soldaten beliebt. Nur eine Aktion mißglückte dem nunmehrigen Fünf-Sterne-General: Anfang 1945 gelang es ihm nicht, nach Hammelburg durchzubrechen, wo Pattons Schwiegersohn in einem deutschen Kriegsgefangenenlager saß. Wochen später mußte der General enttäuscht darauf verzichten, Prag zu erobern, das der künftigen sowjetischen Herrschaftssphäre angehörte.

Zeithistoriker interessieren besonders jene wenigen Monate, die Patton nach Kriegsende zu leben hatte. Auch jetzt, als Militärgouverneur von Bayern, fiel er aus dem Rahmen. Fremd blieben ihm Res-sen-timents gegenüber den besiegten Deutschen. Nicht allein, daß Patton Worte höchsten Lobes für die Wehrmacht fand; vor allem wollte er, kaum daß die Deutschen kapituliert hatten, den Krieg fortsetzen - diesmal gegen die Sowjets. Nur aus späterer Sicht mutet ein solches Vorhaben absurd an. Noch verfügte Sta-lins Armee über keine Atombombe und war nach einem langen Krieg restlos er-schöpft. Im Fall einer konsequenten amerikanischen Offensive, wie sie Patton vorschwebte, hätten sich die Sowjets wohl kaum in Mittel- und Osteuropa behaupten können.

Die sogenannte Entnazifizierung, Kernstück amerikanischer Nachkriegspolitik, mißfiel Patton. Schädlich sei es, ehemalige Mitglieder der NSDAP generell zu verfolgen, da dies den deutschen Wiederaufbau gefährde. Außerdem müsse der rechtsstaatliche Grundsatz beachtet werden, daß bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung zu gelten habe. Patton äußerte, daß es wichtiger sei, die Er-nährung der Deutschen zu sichern, statt "jedem kleinen Nazi nachzulaufen".

Vor diesem Hintergrund opponierte Patton gegen die amtliche Deutschlandpolitik der USA, wie sie Eisenhower und Clay re-präsentierten. Diesmal scheiterte der ver-goldete General. Trotz seines Ansehens hatte er wenig Einfluß in Washington und mußte den Rückzug antreten. Nach einem Streitgespräch mit Ei-senhower in Frankfurt/Main verlor Patton im September 1945 den Gouverneursposten und gab das Kommando über die 3. Armee ab. Ihm wurde die 15. US-Armee un-terstellt, die fast nur auf dem Papier existierte.

Am 9. Dezember 1945 verunglückte der ausrangierte Kriegsheld in einem Auto nahe Mannheim und starb zwei Wochen später. Gewiß ist die amerikanische Geschichte reich an mysteriösen Todesfällen aller Art, doch blieben Vermutungen, daß sein Tod kein bloßer Zufall sei, spekulativ. In jedem Fall sind die letzten sechs Monate des Generals Patton ein Desiderat zeitgeschichtlicher Forschung.


 
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