© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/97  28. März 1997

 
 
Schulden über Schulden: Wissen die Politiker, was sie tun?
Deutsche Auslandszahlungen sind tabu
Von Bruno Bandulet

Im Mai 1996 – die Staatsschulden hatten gerade die Zwei-Billionen-Grenze überschritten – wurden in einer RTL-Sendung verschiedene Bundestagsabgeordnete mit einer 13-stelligen Zahl konfrontiert und gefragt, was sie bedeutet. Es handelte sich um die Summe der deutschen Staatsschuld. Die meisten konnten damit überhaupt nichts anfangen. Einer hielt die zwei Billionen für zwei Milliarden, ein anderer für den Stand der Weltbevölkerung, und einer weigerte sich sogar, diese "schreckliche Zahl" überhaupt auszusprechen. Das waren exakt die Leute, die für den Schuldenberg verantwortlich zeichnen. Sie wissen nicht, was sie tun. Seit Anfang der neunziger Jahre sind diese Schulden so schnell gestiegen wie in den vier Jahrzehnten zuvor. Darin stecken natürlich auch die Kosten der Wiedervereinigung, die Kanzler Kohl ("blühende Landschaften") als ökonomischer Laie völlig falsch eingeschätzt hatte. Aber darin enthalten sind auch die horrenden Zahlungen an das Ausland. Unglaublich, aber wahr: unter der Regierung Kohl verschuldet sich Deutschland im Ausland, um Geld an das Ausland überweisen zu können. Von 1990 bis 1995 summierte sich das alles auf gigantische 300 Milliarden Mark. Und darin enthalten ist noch nicht einmal das Geld, das an die UNO, in die Entwicklungshilfe oder sonstwie nach Übersee floß:

  • 148 Milliarden überwies Bonn netto an die EU – davon ist bereits alles abgezogen, was aus Brüssel an Fördermitteln nach Deutschland zurückfloß.
  • 108,9 Milliarden gingen an die Sowjetunion und ihre Nachfolgestaaten.
  • 50,4 Milliarden flossen an die Staaten in Mittel- und Osteuropa.

Die EU kostet uns schon jetzt – noch vor Einführung des Euro – rund 30 Milliarden Mark im Jahr. Das ist ungefähr so viel wie das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag. Das Geld geht an Länder, in denen die Steuern meist niedriger sind als in Deutschland, in denen die Wirtschaft oft besser läuft. Damit werden dann irgendwo in Südeuropa Fabriken hochgezogen, die anschließend deutschen Unternehmen Konkurrenz machen. Obwohl die Bundesrepublik auf der europäischen Wohlstandsskala seit der Wiedervereinigung weit zurückgefallen ist, finanziert sie 72 Prozent des EU-Haushaltes.

Deutschland als Zahlmeister Europas. Kritik daran ist tabu, gekürzt wird nicht an den Auslandszahlungen, sondern immer nur zu Hause. Und die Fachleute warnen schon jetzt davor, daß mit dem Euro der Geldtransfer nach Europa ungeahnte Ausmaße annehmen wird.

(Auszug aus dem DeutschlandBrief, Nr. 3, März 97. Verlag und Redaktion: Bandulet Verlag GmbH, Kurhausstr. 12, 97688 Bad Kissingen, Tel. 09 71 / 6 82 57.)


 
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